Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

MICHTNER, Otto: Der Fall Abbé Da Ponte

186 Otto Michtner und gesellschaftlichen Einflusses bei Gleichgestellten im Spiel mit be­stechenden Argumenten bei hohen und allerhöchsten Herrschaften nie seine wahren Ziele unmittelbar in Erscheinung treten ließ, und so die Fäden alles musiktheatralischen Geschehens in seiner Hand vereinigte. Keine einzige Affekthandlung ist uns von ihm bekannt; Überlegung in der Planung, nicht nur bei seinen Opern sondern gleicherweise in allen seinen Handlungen. Bezeichnend, daß uns von ihm nur ein einziger Aus­spruch über Mozart überliefert ist, und der erst aus der Zeit, als der Ton­dichter bereits tot war66). Salieri war der letzte große Repräsentant der italienischen Oper in Wien genau so wie Metastasio, der die kaiser­liche Hauptstadt als das musiktheatralische Zentrum des heiligen römi­schen Reiches betrachtete und hier die seit dem 17. Jahrhundert ange­stammten Privilegien des italienischen Kulturkreises zu verteidigen suchte. Für Salieri war Da Ponte kein ebenbürtiger Gegner, da dessen Einflußsphäre und seine Einsatzreserven wesentlich bescheidener waren. P. Zaguri hatte sicherlich recht, wenn er ihm „mittelmäßige Geistesgaben“ zuschreibt. Durch eine gewisse Naivität, Leichtgläubigkeit und geringe Menschenkenntnisse, die sich immer wieder in seinen Schriften spiegeln, war er seinen Widersachern a priori weitaus unterlegen. Im Rahmen dieser Arbeit ist bereits aufgezeigt worden, daß von allen denen, die zu Da Pontes Freundeskreis gehörten, eigentlich nur Major Stieber, so weit wir es heute noch feststellen können, für ihn eintrat. Die anderen, so sie in einflußreichen Stellungen waren, begnügten sich bestenfalls damit, unbillige Härten auszugleichen und ungerechtfertigte Maßnahmen nach Möglichkeit zu verzögern. Merkwürdigerweise ist auch kein Eintreten der Ferrarese für die Sache des Hoftheaterdichters fest­zustellen, obwohl ihr an seinem Unglück ein gerütteltes Maß an Schuld zugeschrieben werden kann. Die in den genannten Manuskripten mitgeteilten Fakta zeigen uns deutlich die Intrige als das alltägliche und unumgängliche Gebrauchs­mittel kat’exochen; die Verwirrungen und die Gläubigkeit in den Ehr­begriffen lassen die Antinomie im Willen zum Guten und Bösen deut­lich transparent erscheinen, zeigen uns also in zahlreichen Verflechtungen Handlungen, die eben je nach dem Anvisieren als gut oder schlecht aus­gelegt werden können und bestätigen, daß Wahrheit nur in göttlicher Seinsordnung gegründet ist. Hugo von Hofmannsthal läßt Klytämnestra in der Oper „Elektra“ sagen: „Was die Wahrheit ist, das bringt kein Mensch heraus.“ Die hier in diesen Akten dargelegten Dokumentationen unterstreichen <i(i) Salieri gestand bei Mozarts Tod: „Es ist zwar schade um so ein großes Genie, aber wohl uns, daß er tot ist. Denn hätte er länger gelebt, so hätte man uns wahrlich kein Stück Brot für unsere Kompositionen gegeben.“ Siehe Otto Jahn: Mozart IV/687.

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