Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

Rezensionen 589 chischen Gräfin Therese Kinsky zur Welt kam, repräsentiert in hohem Maße jene glückliche Mischung zwischen französischer Spiritualität und österreichischer Lebensform, die ihn in beiden Lebens- und Kultur­kreisen beheimatet sein läßt. Lange Zeit sind ihm beide Länder, Frank­reich und Österreich, in gleicher Weise Heimat; so absolviert er doch von 1898 bis 1901 seinen Militärdienst in Frankreich und meldet sich an­schließend zur Ableistung seines Einjährig-Freiwilligen-Dienstes in Wien und erst in gereifterem Alter hat er sich endgültig und unwiderruflich für sein Mutterland Österreich entschieden. Dieser für den Autor charakteristischen Doppeltbehaustheit in zwei Vaterländern ist das große Kapitel „Zwischen zwei Stammländern“ (S. 207—313) gewidmet, das auf­zeigt, wie tiefgehend beide Stammländer sein Leben und Werk geprägt haben und wie er, in beiden verwurzelt, ohne Ambivalenz ganz Öster­reicher wurde. Die österreichische Komponente ist in diesem Kraftfeld doch die dominierende geworden. Seiner französischen Herkunft ist das einleitende Kapitel „Aus der Familienchronik“ (S. 5—53) gewidmet. Diese Chronik bringt im wesent­lichen die Darstellung der diplomatischen Laufbahn der väterlichen Ahnen, des Urgroßvaters, Großvaters und Vaters. Jean-Frangois de Bourgoing, der Urgroßvater, der als Sekretär der französischen Gesandt­schaft beim ständigen deutschen Reichstag in Regensburg seine diplo­matische Laufbahn begann und damit mit der deutschen Kultur und dem deutschen Geistesleben in Berührung kam, hat gleichsam den ersten Schritt für diese für die Familie Bourgoing nun bestimmende Verbindung mit dem deutschen Wesen getan. Immer wieder finden wir die väter­lichen Ahnen in diplomatischer Mission an deutschen Höfen: Dresden und München sind wichtige und längere Stationen auf diesem Weg und in München, wo der Großvater als französischer Gesandter fungierte, ist der Vater 1839 geboren, der, der Familientradition folgend, ebenfalls die diplomatische Laufbahn einschlägt und 1865, nach diplomatischen Lehr- und Wanderjahren, der französischen Botschaft in Wien zugeteilt wird und damit an das Ziel seiner Reise gelangt ist. 1871 heiratet er in Wien Therese Gräfin Kinsky, die ihm, der 1876 zum Generalkonsul in Budapest ernannt und zum Gesandten befördert worden war, 1877 den Sohn Jean gebar. Als er infolge böswilliger Intrigen auf einen fernen Außenposten abgeschoben werden sollte, quittierte er kurzer Hand den französischen diplomatischen Dienst und läßt sich in Wien nieder. Damit war der Umzug von Frankreich nach Österreich vollzogen und das Kapitel „Kindheit und Jugend“ (S. 54—124) führt in das Wien vor der Jahr­hundertwende und in die Familie der Mutter und damit in die inter­essante, vielschichtige und vielseitige, kulturell bedeutungsvolle Geschichte der „ersten Wiener Gesellschaft“ der 80er und 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts, die so befruchtend und belebend auf das Kunst- und Theaterleben der Hauptstadt einwirkte und maßgebliche Impulse z. B. von der „Casa Wilczek“ (S. 125—138) wie auch von dem Kreis um „Richard und Pauline Metternich“ (S. 139—149) erfuhr und sich wahr­lich fürstlicher Unterstützung erfreute. In diesen Kapiteln und in den folgenden: „Die Musik- und Theaterausstellung in Wien 1892“ und „Alt-

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