Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 19. (1966)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bedeutung des Zeitungsarchivs Borgs-Maciejewski für die zeitgeschichtliche Forschung

558 Literaturberichte M. Claar benützt, es sind ihm vor allem aber die grundlegenden, weil für die Stellung Englands aufschlußreichen Arbeiten E. Serras unbe­kannt geblieben. Doch ohne Kenntnis der italienischen Materialien läßt sich eben eine Geschichte des Dreibundes nicht schreiben und Granfeit hätte zumindest für den zweiten Band, der 1964 erschienen ist, die Mög­lichkeit gehabt, die Hinweise auf die italienische Politik aus meiner Drei­bundskizze zu entnehmen. Doch Granfelts Arbeit ist nicht nur in Einzelfragen diskutabel, son­dern in besonderem Maße in der Grundkonzeption des Dreibundes. Im Schlußkapitel zum ersten Band seines neuen Werkes versucht Granfeit den „Dreibund als Same zu einer neuen Staatenbildung“ zu untersuchen. Ausgehend von dem „permanenten Vertragszustand zwischen den Drei­bundstaaten“ kommt Granfeit zu der Auffassung: „Der Dreibund bedeutete also nicht eine zufällige Allianzbildung, sondern war ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Staatenbund“ (I, S. 266). Diese Feststellung ist in jeder Hinsicht unsinnig. Abgesehen davon, daß der Dreibund auch in seiner weitreichendsten Fassung von 1891 in Artikel XIV mit sechs Jahren, im Falle eines Ausbleibens einer Kündigung von seiten der Vertrags­partner für weitere sechs Jahre befristet war, so fehlen dem Dreibund auch alle jene verfassungsrechtlichen Bestimmungen gemeinsamer poli­tischer Organe, welche erst einen Staatenbund fixieren können. Und es fehlte den Staatsmännern in Berlin, Wien und Rom während der ganzen Zeit der Gültigkeit des Dreibundes jede Absicht, aus einem Zweckbündnis eine Staatengemeinschaft zu machen. Granfeit kommt auch in anderen Einzelfragen zu bedenklichen völker­rechtlichen Thesen, wie etwa bezüglich der englisch-französischen Entente von 1904, die er „als von Rechts wegen ungültig bezeichnet“, da „England kein Recht hatte, Frankreich eine Oberherrschaft in Marokko zu über­tragen“ (II, S. 336). Doch nirgends in den Klauseln der Entente, auch in den Geheimklauseln nicht, findet sich eine solche Rechtsbestimmung, wenn die Intentionen auch auf Frankreichs Seite bestanden haben mögen. Gegen das Werk Granfelts sind aber von diesen inhaltlichen Kritiken abgesehen auch noch aus anderen Gründen Bedenken anzumelden: Es ist bestimmt nicht leicht, ein wissenschaftliches Werk in einer Fremdsprache abzufassen und das Bemühen, das darin liegt, daß Granfeit seine For­schungen in deutscher Sprache dargestellt hat, sollte lobende Anerkennung finden. Doch ein Autor, der in einer fremden Sprache publiziert, sollte besondere Sorgfalt auf die sprachliche Überprüfung seines Werkes legen. Im Vorwort zum ersten Band dankt Granfeit einem Herrn Aug. Pschorn dafür, daß er das in deutscher Sprache geschriebene Manuskript sprachlich durchgesehen hat. Die folgende Kritik sollte daher vielleicht mehr gegen Herrn Pschorn als gegen den Autor selbst gerichtet sein, denn was in diesen beiden Bänden an Übersetzungsfehlern aufscheint, übersteigt das Maß des noch Erträglichen: „gefärbte Bücher“ (I, 13), „Atlantpakt“ (I, 15), „länger als planiert“ (I, 67), „ein Rissen in dem Allianzgewebe“ (I, 159), „militäre Konvention“ (I, 165) „invadierende Truppen“ (II, 67), das sind nur einige wenige Beispiele aus der Fülle der Stilblüten, die sich der „sprachlichen Durchsicht“ entzogen haben. Dazu kommen die zahlreichen

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