Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

THOMAS, Christiane: Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866

Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätzt und des Archivs 1866 305 Ofen 78) — der vollbeladene Schlepper lag weiterhin in Kaisermühlen fest, die versammelten Kustoden und die Abteilung der Hofburgwache (1 Offizier, 3 Führer und 48 Wachen), die zur ständigen Bedeckung des Transportes abgeordnet war 79), waren zum untätigen Abwarten verurteilt. Hoffte man immer noch, daß sich in letzter Minute das Blatt wenden und das großangelegte Flüchtungsunternehmen sich als unnötig, ja als voreilig an­gelegt erweisen würde? Unterdessen wurde die finanzielle Basis der Aktion ausgearbeitet. Von der mit 600.000 f präliminierten Hofreisedotation waren 136.945 f als Posten Hofreisen und 342.362 f 50 unter dem Titel Landtagsausgaben ab­geschrieben. Wenn man rechnete, mit 120.000 f das Auslangen zu finden, erübrigte man einen kleinen Restbetrag von 692 f 50: das Budget für Hof­reisen wurde also nicht überschritten80). Als am 18. Juli Finanzminister Graf Larisch vom Obersthofmeisteramt über die Aufspaltung der Summe benachrichtigt wurde (70.000 f waren bei der Staats-Kontrollkassa, 50.000 f bei der Landeshauptkasse in Ofen zu beheben) 81), waren die Schätze schon in Ofen eingelangt: Sonntag Vormittag (15. Juli) hatte Grünne die Wei­sung zur Abfahrt erteilt82). Um 15 Uhr verließ der Dampfer Wien, um über Nacht in Preßburg Station zu machen; die Ankunft in Ofen durfte am 16. Juli erst mit Anbruch der Dunkelheit geschehen, wiederum, um jede Beobachtung zu vermeiden. Die Szent István landete in Burgnähe unterhalb des Hofgartens. Raymond meldete dem Oberststallmeister telegraphisch die ohne Verzögerung oder Hindernis von statten gegangene Landung. Allen anwesenden Beamten wurde untersagt, das Schiff zu verlassen, bevor nicht die Kisten ausgeladen und in den Räumen des königlichen Zeughauses ein­gelagert sein würden. Der Zeitpunkt der Debarkierung hing davon ab, wann die Adaptierungen des Gebäudes beendet sein würden. Die Ofener Genie-Direktion und die Schloßinspektion waren schon vor Abgang des Transportes aufgefordert worden, für die Sicherung vor Feuer und Ein­bruch zu sorgen 83). Um den Zustand der Magazine kennen zu lernen, fan­den sich Kustoden und Hof beamte am 17. Juli zu einer kommissioneilen Besichtigung ein84). Es stellte sich heraus, daß die ebenerdigen trockenen Säle des vollständig ausgeräumten Geschützdepots zur Beherbergung des Flüchtungsgutes ausreichen würden. Weitere Instandsetzungsarbeiten des 78) ZA Prot. 78, 1866, S. 60. 70) ZA Prot. 78, 1866, S. 66. 80) Seidl scheint anfangs gefürchtet zu haben, daß die Transportkosten für sein Bergungskontingent der Geldgebarung der Schatzkammer aufgelastet wer­den würde: er betonte eigens, daß seine Finanzen dadurch über Gebühr bean­sprucht sein würden. Schka. Fasz. 20, 1866, Nr. 44. 81) OMeA 1866, Rubrik 65/1/4. Über die Angabe des Zweckes, siehe oben, S. 286. 82) pgr das Folgende: ZA Prot. 78, 1866, S. 68 f. und Klemms Bericht an die Archivdirektion vom 18. Juli 1866: KA 1866, Nr. 174. 83) ZA Prot. 78, 1866, S. 65. 84) Protokoll darüber: OKäA 1866, Rubrik 53, Nr. 1076. Mitteilungen, Band 17/18 20

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