Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

THOMAS, Christiane: Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866

Die Bergung der kaiserlichen Kunstschätze und des Archivs 1866. Von Christiane Thomas (Wien). Am 16. Juli 1866 unterbreitete Obersthofmeister Fürst Hohenlohe- Schillingsfürst Kaiser Franz Joseph die endgültige Aufstellung eines Kostenvoranschlages in der Höhe von 120.000 Gulden, der durch die „extra- ordinäre Hofreise-Dotazion des Jahres 1866“ gedeckt werden sollte. Die Summe verteilte sich im einzelnen auf drei Posten: 50.000 f waren für die „eventuelle allerhöchste Feldzugsreise“ vorgesehen, 20.000 f für den „Effekten-Transport nach Ungarn“ angesetzt und weitere 50.000 f für das „allerhöchste Hoflager in Ofen“ in Aussicht genommen. Wegen der Dring­lichkeit des Projektes hatte Hohenlohe bereits die beiden ersten Teilbeträge vom Hofzahlamt angefordert und erbat nun die kaiserliche Einwilligung. Mit seiner zustimmenden Entschließung vom 18. Juli 1866 J) setzte der Kaiser den Schlußpunkt zu den organisatorischen Maßnahmen und der finanziellen Regelung eines außergewöhnlichen Planes: hinter der offi­ziellen Benennung einer „eventuellen Feldzugsreise“ und eines „Effekten- Transportes nach Ungarn“ verbarg sich nämlich nichts anderes als die Flüchtung des wertvollsten kaiserlichen Kunstbesitzes und der bedeutend­sten Archivalienbestände, die vor den heranrückenden Preußen geborgen werden mußten. Nach der Niederlage der österreichischen Nordarmee bei Königgrätz am 3. Juli und der Ablehnung des von Feldmarschalleutnant von Gablenz vorgebrachten Waffenstillstandsangebotes durch den preußischen König am 4. Juli war mit einem stetigen Vordringen der Preußen in Richtung Niederösterreich und damit in gefährliche Nähe der Hauptstadt zu rechnen. Als der Oberbefehlshaber der kaiserlichen Truppen, Erzherzog Albrecht, die Vereinigung aller Streitkräfte im Gebiet um Wien anordnete, verstärkte sich die Befürchtung vor einer „zu besorgenden feindlichen Invasion“, wie es der Unterstaatssekretär des Äußern, Meysenbug, in seiner Weisung an die Direktion des Haus-, Hof- und Staatsarchivs vom 10. Juli* 2) formulierte. Den Beamten der kaiserlichen Sammlungen und des Archivs mußte es seit dem 4. Juli klar sein, daß die ihrer Obsorge anvertrauten Schätze an ihren Wiener Aufbewahrungsorten nicht mehr sicher waren. Die Erinnerung an die eilig in die Wege geleiteten wiederholten Bergungen der kaiserlichen O Haus-, Hof- und Staatsarchiv (hinfort: HHSTA), Obersthofmeister­amt (hinfort: OMeA) 1866, Rubrik 65/1/4. 2) HHSTA, Kurrentakten (hinfort: KA) 1866, Nr. 172.

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