Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BENNA, Anna Hedwig: Doppelspionage im Türkenjahr 1683

20 Anna Hedwig ßenna Berichte, Pläne und Informationen zu verschaffen 106). Im zweiten Jahre sei­nes Wiener Aufenthalts war ihm ein kleiner Fehler unterlaufen. Sein Dome­stik du Fayel hatte sich unvorsichtig jemandem anvertraut, er wurde wegen Vagabundage festgenommen und wochenlang verhört und gefoltert. Sébevile reklamierte du Fayel als Angehörigen seiner Gesandtschaft. Der wahre Grund für die Festnahme du Fayels war aber dessen Kundschaftertätigkeit in Tirol, wo er im Aufträge Sébevilles die Truppenaushebungen und Trup­penstärke erkundete107). Sébeville erklärte diese Tätigkeit als vollkommen üblich nach den damaligen Spielregeln für diplomatische Vertreter und fand damit einen Anlaß, den österreichischen Hofkanzler Hocher als starren Juristen, der vom Völkerrecht keine blasse Anhnung hätte, anzugreifen108). Die Maßnahmen gegen du Fayel wurden von französischer Seite mit der Festsetzung des als Geschäftsträger fungierenden Legationssekretärs Franz Chassignet in der Bastille beantwortet109 110 111). Nach Hochers Tod im Februar 1683 dürfte es für Sébeville noch leichter geworden sein, einen gut funk­tionierenden Nachrichtendienst aufzuziehen. Er baute auch seine Kor­respondenz mit seinen Diplomatenkollegen an den deutschen Höfen und in Italien aus. Zur Zeit der Einschließung Wiens durch das türkische Heer verstärkte sich seine Aktivität, seine Kuriere gingen ungehindert nach dem Westen uo). Allerdings wurden zahlreiche Korrespondenzen Sébevilles von kaiserlicher Seite intercipiertm). In Wien, wo alles in diesen Monaten käuf­10,1) Vgl. Guillot, Revue d’histoire diplomatique 25, 423. Revue des questions historiques 77, 486, 489, 493, 496; 81, 404, 405. 107) 1682 Hofkanzler Hocher an Sébeville, 1682 September 20. (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Frankreich Noten 1. Abschrift). 1682 September 22 (ebenda). Hofkanzlei an Sébeville, 1682 September 30 (ebenda). Zur Affäre du Fayel vgl. Guillot, Revue d’histoire diplomatiques 25, 340. i«8) Vgl, Guillot, Revue des questions historiques 81, 409, 410. Vgl. auch Note des spanischen Botschafters in Frankreich, Marques de la Fuente, 1682 Oktober 1 (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Frankreich Varia 7. Zu Hochers frankreichfeindlichem Kurs vgl. Guillot, Revue d’histoire diplomatique 25, 425, 427). — Zu Dr. Paul Hocher, seit 1665 stellvertretender, seit 1667 wirklicher österreichischer Hofkanzler, gest. 28. Februar 1683, vgl. A. di Pauli, Johann Paul Hocher, Zeitschrift des Ferdinandeums 5 (1839), 89—107. Zeissberg ADB 12 (1880), 520—521. Redlich, MIÖG 37, 574f., Gross, HVjsch., 22, 299, 300 f. Wolf, Lobkowitz, 273 m, 287. Srbik, Ein holländischer Bericht über Kaiser Leopold und seine Staatsmänner, Festschrift des deutschen Historiker­vereines Wien (1914), 140—141. Spiegel, Fürstenberg, S. 81. 100) 1682 Oktober 14. Note des Hofkriegsrates von Dorsch an Hocher (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Frankreich Varia 7). 1682 Oktober 21. Colbert de Croissy an Chassignet (ebenda, Abschrift). Vgl. Guillot, Revue d’histoire diplomatique 25, 420. — Franz Chassignet, kaiserlicher Legationssekretär in Paris (1682— 1685). Vgl. Bittner-Groß, Repertorium der diplomatischen Vertreter 1, 141. Ch. war ein Vetter des bekannten Diplomaten Franz v. Lisola [vgl. A. F. Pri­bram, Franz Paul Freiherr von Lisola 1613—1674 und die Politiker seiner Zeit (1894)]. 110) Vgl. Baur, AÖG 37. 111) Eine Reihe Intercepte von Schreiben Sébevilles an seine Kollegen an

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