Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BENNA, Anna Hedwig: Doppelspionage im Türkenjahr 1683

Doppelspionage im Türkenjahr 1683 19 von der gleichen Hand wie ein Schreiben Brechthals an Mr. Francois Perrin vom 3. Dezember 1683, ebenso die Adresse auf der Rückseite der Antwort Colberts an Kaplir und Koenigsegg vom 25. August 1683. Der gefälschte Revers der Grafen Kaplir und Koenigsegg für Colbert de Croissy enthält inhaltlich nicht viel mehr, als Brechthal bereits in seinem Schreiben an Abele100 *) Ende August 1683 mitgeteilt hatte. Die Verpflich­tung der beiden gegen die ihnen vom französischen Gesandten in Wien Sébeville angebotenen Bedingungen, den Kaiser und seine beiden Söhne zu vergiften, Ulm, Nürnberg und Prag dem König von Frankreich zu über­liefern. Koenigsegg übernahm noch die Aufgabe, die Unruhen in Ungarn zu schüren und Tököly mit Hilfe des Grafen Zriniyi noch mehr gegen den Kaiser auf zu stacheln. Graf Breuner sollte die Rolle eines wichtigen Helfers Kaplir in Prag übernehmen. Ein weiterer, allerdings nicht erhaltener Re­vers 1#1) betraf die von Graf Breuner und Piccolomini102) übernommenen Verpflichtungen in Prag gegenüber Kaplir. Dunods Mission hatte wohl den Beweis der Haltlosigkeit der Denunzia­tionen Brechthals erbracht, den Nachweis der Identität Brechthals und seiner etwaigen Hintermänner mußte sie schuldig bleiben. Der Amsterdamer Agent arbeitete offensichtlich für beide Seiten, er erhielt von beiden Seiten Nachrichten und suchte sie gewinnbringend abzusetzen, er betrieb, wie sich Erzbischof Waldstein ausdrückte „spia doppia“ 103). Vielleicht wagte er das Geschäft im Osten, weil sich in den Niederlanden Nachrichten über Verrat gut verkauften. Denn kein geringerer als Wilhelm von Oranien befürchtete, die von den Türken eingeschlossene Stadt Wien könne durch Verrat fallen104). Ein in den letzten Augusttagen 1683 in Amsterdam umlaufendes Gerücht über den Fall Wiens, das vom Residenten Kramprich energisch dementiert wurde, stammte von französischer Seite105). Frankreich besaß über Wien beste Informationen. Der französische Gesandte Sébeville lieferte seit Jahr und Tag genaue politische und militärische Informationen. Er verstand es ausgezeichnet, das zu hören, was er hören wollte, und konnte es sich mit Hilfe entsprechender Geldmittel leisten, Colbert und Louvois die nötigen 100) Vgl. oben Anm. 78. >01) Erwähnt im Schreiben des Erzbischofs von Prag an Kaiser Leopold I., 1684 Jänner 17 (vgl. oben Anm. 99). Das Stück ist in den ho. Beständen nicht erhalten. i#-) Ein Fürst von Piccolomini wird in der Rangliste von 1684 als Oberst zu Pferd erwähnt, wurde 1683 vor Wien verwundet (Thürheim, Starhemberg S. 245, 265). Fraglich, ob der hier erwähnte P. mit dem Fürsten Lorenzo (1651—1712) ident ist. Vgl. Siebmacher, Großes und Allgemeines Wappenbuch IV/9, 1886, 200—201. O. Elster, Piccolomini Studien (1911) 14. 103) Vgl. oben Anm. 92. 104) 1683 August 29, Den Haag. Bericht Kramprichs. (Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Geheime Staatsregistratur Kart. 68). ll15) Ebenda. Postscriptum. 2*

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