Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)

BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels

Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels 243 Eine der ersten Maßnahmen des Gesandten Stürmer in Handelsangele­genheiten war, daß er, nachdem er sich einen Überblick über die Lage verschafft hatte, den Rumburger Kaufmann Wenzel Bergner, der als Han­delsexperte an der Gesandtschaft mit einem Gehalte eines Legationssekre­tärs angestellt war, in die Heimat abschob. Für einen Handelsexperten war bei der herrschenden Stagnation im Brasilienhandel keine Verwendung mehr. Wenzel Bergner, der, wie bereits ausgeführt, zu Beginn des Jahres 1817 in die Handelsexpedition als Experte berufen worden war, um für die Kommerzhofkommission in Brasilien umfassende Marktforschungen zu betreiben, war mit der Augusta im November 1817 in Begleitung seines Sohnes nach Rio de Janeiro gekommen. Er hatte sich seither, wenn auch ohne rechten Erfolg, bemüht, der Kommerzhofkommission brauchbare Daten über den Brasilienhandel zu liefern und Analysen der brasilianischen Volkswirtschaft auszuarbeiten. 20 große Aufsätze aus seiner Feder zeugen von seinem Eifer, aber leider nicht von seinem Können. Baron Stürmer hatte, bevor er sich zur Heimbeförderung des Rumburgers entschloß, seine Berichte sachkundigen und unparteiischen Fachleuten in Rio de Janeiro vorgelegt, sie sollten die Berichte auf ihre Brauchbarkeit überprüfen85). „Das Urteil dieser Fachleute“, berichtete er nach Wien, „geht leider dahin, daß die Berichte des Herrn Bergner für den praktischen Kaufmann keinen Nutzen haben, weil sie kein Resultat gemachter Erfahrungen, sondern größtenteils Ansichten enthalten, die in sehr verschiedenen Perioden meistens infolge mündlicher Mitteilungen aufgefaßt und nicht selten ohne hinlängliche Prüfung niedergeschrieben wurden... daß Vorschläge zu Kolonien und Preiselbeeren, Dampfmaschinen und Datteln, Handelstrak­taten und Bleistiften, alles so bunt durcheinander liegen, daß das Ganze durchaus nur als eine Notizensammlung angesehen werden kann. ... daß er selten eine Mittelstraße hält und seine Projekte meistens so weit um sich greifen, daß deren Ausführung unmöglich ist“ 86). Stürmer ließ aber dem Rumburger Kaufmann insoferne Gerechtigkeit widerfahren, als er sein Versagen nicht mangelndem Eifer sondern nur mangelnder Eignung und Befähigung zuschrieb. Die für Herrn Bergner im Verlauf der vier Jahre seines Brasilienaufenthaltes aufgewendeten mehr als 30.000 fl. schienen ihm allerdings ein zu hoher Preis für dessen Berichte. Wenzel Bergner, 85) Schon Herr Weber hatte in seinem Schreiben vom 5. Februar 1819 an Neveu sich auf die Berichte Bergners bezogen und deren Weitschweifigkeit und Unsachlichkeit gerügt. „Seine Bemerkungen über die Kontrebande sind nicht nur unrichtig und gewagt, sondern gehören auch nicht in einem doch öffent­lichen Bericht. Schon oft hatte ich Anlaß zu bemerken, daß Herr Bergner in diesem Punkte ganz eigene Ansichten hat und in jedem englischen Kaufmann einen Kontrebandisten zu sehen glaubt, während sich vielleicht gerade die Eng­länder am wenigsten unmittelbar mit verbotenem Handel abgeben, denn es ist zwar ganz richtig, daß sie sich überall einfinden, wo Schleichhandel getrieben wird, allein gewöhnlich bringen sie ihre dazu taugliche Waare nur bis an die Gränzen und lassen dann anderen die Sorge, solche hinüber zu schaffen.“ 8fl) St.K. Dipl. Korr. Brasilien, Fasz. 8, Bericht Nr. 9 A ddo. 31. III. 1821. — 16*

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