Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 17/18. (1964/65)
BLAAS, Richard: Die Anfänge des österreichischen Brasilienhandels
242 Richard Blaas klären, daß Österreich bereit sei, mit Brasilien und Portugal Handelsverbindungen einzugehen, wobei jedoch die vollkommenste Reziprozität der Vortheile als Grundlage anzunehmen sei“ ®*). Baron Stürmer begab sich über England nach Gibraltar, wo er sich auf der österreichischen Korvette Carolina einschiffte, die von Triest zu einer Ostasienfahrt ausgelaufen war und den österreichischen Generalkonsul für China, Waats, an Bord hatte. Die Carolina landete am 23. Dezember 1820 in Rio de Janeiro 8a). Für handelspolitische Gespräche war der Zeitpunkt der Ankunft des neuen Gesandten denkbar ungeeignet. Der österreichische Handel mit Brasilien war fast zum Stillstand gekommen und die politische Konstellation stand in Brasilien auf Sturm. In Portugal hatte im Juli 1820 die Revolution gesiegt, England drängte heftiger denn je auf die Rückkehr des Königs nach Portugal oder die Entsendung des Kronprinzen als Vizekönig dahin; in Brasilien gärte es bedenklich, da die brasilianische Partei nicht ohne Grund befürchtete, daß man nach der Rückkehr des Hofes nach Lissabon von Portugal aus versuchen werde, das Land wieder unter koloniale Bevormundung zu bringen. König Johann VI., der seinem Sohne, dem Kronprinzen, in jeder Hinsicht mißtraute, konnte sich lange nicht zu einer eindeutigen Entscheidung durchringen. Er wußte nur zu gut, daß jeder seiner Beschlüsse, wie er auch ausfalle, schwerwiegende Folgen nach ziehen würde. Schickte er nämlich den Kronprinzen als Regenten nach Portugal, wozu er zu Beginn des Jahres 1821 entschlossen schien, riskierte er, daß ihn die Cortes in Lissabon, der langjährigen Führung der Regierungsgeschäfte von der Kolonie aus überdrüssig, zum König ausriefen; kehrte er selbst nach Lissabon zurück, mußte er den Prinzen als Regenten in der aufsässigen Kolonie zurücklassen und würde er nicht gerade dadurch die Losreißung der Kolonie vom Mutterlande provozieren? Vor diesem Dilemma flüchtete Johann VI. in Unschlüssigkeit und Zaudern, er suchte Zeit zu gewinnen, aber gerade Zeit war keine mehr zu verlieren. Am 7. Februar 1821 verkündete er die Abreise des Kronprinzen Dom Pedro nach Portugal, er sollte ohne die Kronprinzessin, Erzherzogin Leopoldine, die gerade ein Kind erwartete, abfahren. Der Kronprinz fuhr nicht ab und die Situation in Rio de Janeiro wurde allmählich bedrohlich. Am 26. Februar brach auch hier die Revolution aus und der König wurde gezwungen, die portugiesische Verfassung, die noch nicht einmal ausgearbeitet war, zu beschwören. In dieser gewitterschwülen politischen Situation war an Handelsgespräche nicht zu denken 83 84). 83) St.K. Dipl. Korr. Brasilien, Fasz. 7, Bericht Nr. 26 A ddo. 26. Dezember 1820. Baron Stürmer ist am 23. Dezember in Rio angekommen, Baron Mareschal bleibt weiterhin k. k. Geschäftsträger, Baron Kast wird abgelöst von Baron Walter, der bereits am 20. Februar 1820 nach Brasilien gekommen war. 84) Österreichs Stellung in der Unabhängigkeitsfrage bedarf noch einer eingehenderen Untersuchung, die in einem weiteren Aufsatz dieser Zeitschrift versucht werden soll.