Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
RILL, Gerhard: Jacobus Palaeologus (ca. 1520–1585). Ein Antitrinitarier als Schützling der Habsburger
Jacobus Palaeologus (ca. 1520—1585) 77 der Papst habe von seiner Reise erfahren und auf seinen Kopf einen namhaften Betrag ausgesetzt. Seine Mutter findet der Ankömmling in kränkelndem Zustand in einem verlassenen Winkel der Burg, wohin sie ex celeberrimo loco von den Türken verbannt worden war. Eine unübersehbare Menschenmenge bestaunt den Landsmann, den man längst als Opfer der Inquisition abgeschrieben hatte; manche halten Palaeologus für einen Mohammedaner, andere für einen Lutheraner oder gar für einen Atheisten. Als der Kadi Murad Erkundigungen über den merkwürdigen Fremdling einholt, erhält er von Christen und Juden, Griechen und Lateinern die übereinstimmende Auskunft: der Mann heiße Palaeologus, sei auf der Burg von Chios geboren und habe einst über große Autorität verfügt; Burg und Stadt, ja die ganze Insel seien von ihm abhängig gewesen; heute zähle er zu den größten Gelehrten Europas. Daraufhin läßt der Kadi die Menge auseinandertreiben und bittet den vornehmen Gast zu sich. Im vertrauten Gespräch bietet er ihm seine Hilfe an, — die Palaeologus jedoch vornehm zurückweist, — offenbart ihm seine Sympathie für die Protestanten und versucht ihn zu überreden, zum Islam überzutreten; in diesem Falle werde ihn der Sultan zum Prorex machen und Palaeologus könne alle seine Feinde töten. Der Umworbene jedoch, der dieserart leicht den Mönchen, die gegen ihn hetzen, den Garaus hätte machen können, erklärt unbeirrt: er sei Christ und wolle auch als Christ sterben. Tief beeindruckt von dieser Hochherzigkeit läßt der Kadi öffentlichen Schutz für Palaeologus verkünden und diesen, der eine Einladung in die Burg abgelehnt hat, des Nachts von einer Schildwache beschützen. Als Palaeologus öffentlich eine religiöse Disputation mit einem mohammedanischen Priester (sechus) 237) und dessen Schülern abhält, wollen die „Mönche“, nämlich seine ehemaligen Ordensbrüder, die Exkommunikation für alle, die mit ihm verkehren, erwirken. Am 31. Mai lehnt er neuerdings die angebotene Prorex-Stelle, die ihm eine Jahresrente von umgerechnet 2.000 Kronen eingebracht hätte, ab. Am 14. Juni reist er von Chios ab, am 25. trifft er in Konstantinopel ein. Hier errichtet er den schon erwähnten Gedenkstein für seine Eltern und bezahlt die Schulden seiner Mutter. Von allen Seiten bestürmt man nun den in Europa schmählich Verfolgten mit ehrenden und vorteilhaften Angeboten. Sein alter Freund Johann Michael, — der zum Judentum übergetreten ist, sich Josephus Naason nennt und von Sultan Selim zum Dux Naxi et Princeps septem insularum Aegei maris ernannt worden ist, — bietet Geld und eine seiner Inseln an 238). Von anderer Seite werden ihm Pensionen offeriert, unter der Bedingung, daß er in die Dienste des Patriarchen trete. Alle Angebote weist Palaeologus zurück, mit besonderer Entrüstung jenes einiger Frauen, die mit seinem ehemaligen Ordensgeneral Giustiniani verwandt sind und Frieden und Freundschaft vermitteln wollen, wobei sie deutlich auf den Reichtum Giustinianis und die Möglichkeit, Palaeologus könne auf diesem Wege zu einem glänzenden Einkommen gelangen, anspielen. Aber auch die höchsten Beamten des osmanischen Reiches bemühen sich um den ungewöhnlichen Reisenden. Interessant — und vor allem am ehesten der Wahrheit entsprechend — ist die Schilderung des schon erwähnten Zusammentreffens mit Adam Neuser 239). Am 8. Juli reist Palaeologus im Gefolge einer Legation des Moldau- 237 238 239 237) ... est Tureorum monachorum genus, sanctitate vitae celebre Reusner 1. c. 144. 238) über den portugiesischen Juden Don Joseph Naci oder Naßi (eigentlich Juan Miguez), Titularherzog von Naxos, vgl. J. W. Zinkeisen, Geschichte des osmanischen Reiches in Europa 3, Gotha 1855, 373 ff.; F. Braudel, La Méditerranée et le Monde méditerranéen ä l’époque de Philippe II, Paris 1949, 537. 239) Siehe Anm. 216.