Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

RILL, Gerhard: Jacobus Palaeologus (ca. 1520–1585). Ein Antitrinitarier als Schützling der Habsburger

78 Gerhard Rill Königtums nach Silistra und Bukarest, wo er ehrenvoll empfangen wird. Wieder in Konstantinopel, wird er Zeuge eines an mohammedanischen Häretikern voll­zogenen Gemetzels. Trotz Warnungen Neusers beteiligt er sich an Disputatio­nen über das Verhältnis zwischen Christentum und Islam, ja er würdigt sogar die moralischen Vorschriften des Koran herab, indem er sie als wertlos im Verhältnis zur antiken Tugendlehre bezeichnet. Auf seiner Rückreise nach Siebenbürgen wird er von einer Janitscharentruppe geschützt, so daß das Ge­rücht entsteht, er reise in offizieller Mission vom Sultan zum Kaiser 24«). Am 12. August 1573 ist er wieder in Klausenburg. Soweit in stark gekürzter Form dieser merkwürdige Reisebericht, dem Zinkeisen noch hohe Glaubwürdigkeit zuerkannt hat* 241). Wir müssen je­doch annehmen, daß der Autor bei der Schilderung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf der Insel in ähnlicher Weise über­trieben hat, wie in den autobiographischen Erklärungen; das Bild einer völlig ruinierten, entvölkerten und terrorisierten ehemaligen Kulturland­schaft, das uns hier geboten wird, widerspricht in wesentlichen Punkten der Aussage verläßlicher Quellen 242 243). Betrachtet man den Brief als Ganzes, so zeigt sich doch zu deutlich die konstruierte Verbindung von historischem Geschehen und persönlichem Schicksal 248); die Katastrophe mußte über die unglückselige Insel hereinbrechen, weil ihr größter Sohn sie verließ und in der Fremde ins Elend geriet. Die Übertreibungen ins Negative schaffen den nötigen Raum für eine phantastische Restauration, die das geläuterte Chios-Bild mit der glorreichen Rechtfertigung des Helden ver­binden und schließlich, in der Disputatio scholastica, den Rahmen für die utopische Weltsynode auf Chios-Janopolis abgeben wird 244). Gleich nach seiner Rückkehr geriet Palaeologus in heftige literarische Fehden mit Grzegorz Pawel 245 * *), der seinen Gegner auch persönlich angriff und ihn als Mohammedaner bezeichnete; der Reisebericht hat stellenweise die Funktion, diese Angriffe zu widerlegen, so etwa in der Erklärung: er (Palaeologus) habe nie an einem ärmlichen und hündischen convivium, nämlich an einem solchen ohne Wein, teilgenommen24«). Bis 1574 (1575?) führte Palaeologus nun ein Wanderleben zwischen Krakau und Siebenbür­gen, wo er zeitweise als Lehrer tätig war, 1574 vielleicht auch als Rektor 24«) Nur in R fol. 182v. 241) Geschichte des osmanischen Reiches 2 (1854) 903. 242) Argenti, Chius vincta CXVII n. 3, weist die Behauptung, Piali Pascha habe nach der Eroberung die Gewalt über die Insel zwei Bauern über­tragen, zurück: tatsächlich wurde sofort die normale Zivilverwaltung unter Cazanfer Bey, einem Beamten ungarischer Herkunft, eingesetzt. 243) ... commota est universa civitas, quae non civitas amplius est, aut Chius: ubi ego maximus olim fueram: sed latibulum furum ...; Reusner 1. c. 142. 244) Über Konzilsutopien der Antitrinitarier vol. Cantimori, Haeretiker 333. 245) Pirnát, Palaeologus 101; Ideologie 82. 24«) ... ego nunquam cum aliquo potavi in paupero et canino convivio, hoc est sine vino ... ; Reusner 1. c. 152.

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