Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
MARX, Julius: Vormärzliches Schedenwesen
Vormärzliches Schedenwesen 455 Verfügungen stets der Bestätigung des Zensurchefs bedurften; nur auf Ungarn besaß er keinen unmittelbaren Einfluß. Die in den Verbotslisten den angeführten Werken manchmal nachgesetzte Floskel „aus dem ... Verzeichniß“ 10) erweist, daß man in den Provinzen auch auf erga schedam erkennen konnte, und daß diese Werke, wenn Graf Sedlnitzky zugestimmt hatte, in diese Listen aufgenommen wurden. Graf Pálffy, der venetianische Gouverneur, wollte der kleinen Schrift Errore nei prolegomeni del primato morale e civile degli Italiani di Vicenzo Gioberti sogar damnatur geben und fand dafür die Zustimmung des Vizekönigs. Sedlnitzky ließ es dennoch bei erga schedam bewenden; man sollte die Scheden nur vollkommen verläßlichen Personen geben. Einmal kündigte der gleiche Gouverneur an, daß er drei feindselige römische Schriften beschlagnahmen würde, falls sie in seinem Bereich auftauchen sollten11)- Wenn auch aus den vorhandenen amtlichen Belegen solche Streiflichter auf die Tätigkeit in den Provinzen vorzüglich aus italienischen Meldungen fallen, so zeigt doch die zweimalige Erwähnung der Prager Verzeichnisse, daß sie in den Erbstaaten in gleicher Weise gehandhabt wurden. Scheden auf verbotene Werke konnte nur die Polizeihofstelle ausgeben. Auf Pamphlete oder gehaltlose Schriften, die schon Josef II. zu unterdrücken befohlen hatte, gab sie keine. Wenn die Hofstelle aus bestimmten Gründen den Landesstellen die Schedenausgabe entziehen wollte, um sie sich selbst vorzubehalten, gab sie damnatur; ein solcher Fall lag beispielsweise bei Brockhaus’ Lexikon vor12). Die Oberaufsicht durch den Monarchen regelte der § 15 des Zensurediktes, wie bereits dargelegt worden ist. Die Genehmigung, b e i nec erga schedam dennoch Scheden zu bewilligen, hatte sich Kaiser Franz Vorbehalten13). Unter Ferdinand scheint jedoch der Polizeichef wieder selbständig verfügt zu haben. Zwar wird der Herrscher einmal in einem solchen Falle zur Entscheidung angerufen, doch hatte er kurz vorher das Verbot gebilligt. In einem anderen Falle spricht indes Graf Sedlnitzky selbst die Zulassung aus. Ansuchen um Scheden auf derlei Werke mußten an die Hofstelle gerichtet werden. Material für diese Darstellung findet sich zerstreut in den Akten unserer Archive. Im Verwaltungsarchiv wurde aus den erhaltenen Resten ein ganzer Konvolut aus dem Jahre 1847 gebildet, der uns einen guten Einblick in die Praxis ermöglicht14). Der Faszikel enthält nicht bloß Schedengesuche aus Wien, sondern größtenteils solche aus den Provinzen. io) Folgende Verzeichnisse finden sich: Ofner oder Ungarisches (43HI/1, x/l, XI/2, 46m/2), Prager (43VI/2, XI/2), Lemberger (43x/'l), Mailänder (43IV/1, vi/2, vii/i, x/i, xi/2, xn/2, 46XII/1), Venediger (47IX/2). — 43m/l bedeutet 1843, März, 1. Monatshälfte. •i) Marx, in MIÖST XL, S. 436 f. — Verw.-A., P.-H., Z. 11 ex 1847 (K 1642), Nr. 265 v. 5. 3. (das Werk ist in Liste 47IV/1) u. 183 ex 1846 (K 1628). 12) Darüber wird der Verfasser an anderer Stelle abhandeln. is) Mar x, Die österr. Zensur, S. 28. i«) Marx, in MIÖST XL, S. 445 ff. — Verw.-A., P.-H., Z. 26 ex 1847 (K 1643); die Akten sind durch Feuer und Wasser sehr beschädigt und brüchig.