Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MARX, Julius: Vormärzliches Schedenwesen

456 Julius Marx Sie betreffen vorwiegend Einzelfälle, u. zw. mit einer Ausnahme bloß Private, geben daher einesteils Aufschluß über den Personenkreis, dem die Bewerber angehörten, und über die Arbeit der Ämter, die mit den Ansu­chen befaßt waren, andernteils über die Gründe der Genehmigung oder Ablehnung. Wenig ist mit den zwölf Gesamtverzeichnissen aus Ga­lizien anzufangen. Sie umfaßten 39 bis 46 Schedengesuche, und da diese erledigt zurückgingen, erfahren wir aus diesen Akten nur dann und wann etwas über die nachgesuchten Schriften, nie jedoch etwas über die Bezie­her. Es werden bloß die Gesuchsnummern angeführt und Graf Sedlnitzky entscheidet nach ihnen. Immerhin gewinnt man ein ungefähres Bild der Breitenstreuung15). Die Landesstelle meldete meist, daß sie Werke mit erga schedam selbst bewilligt habe, dann legte sie jene Ansuchen vor, deren Bewilligung ihr zweifelhaft erschien, jene, in denen verbotene Bücher ge­wünscht wurden, sowie solche, in denen Werke verlangt wurden, die noch nicht durch die Zensur gegangen waren. Gewöhnlich bezeichnete sie bereits, was nach ihrem Ermessen abzuweisen wäre, und der Zensurchef genehmigte diese Anträge stets, meist strich er noch darüber hinaus, seltener erlaubte er mehr. Vornehmlich handelt es sich um französische Bomane, namentlich um die Sues, die auch sonst mehrfach belegt sind, was ihre Beliebtheit erweist16). Die ,,G renzboten“ wollte Sedlnitzky gleichfalls möglichst be­schränkt wissen, was nur bedeuten kann, daß er wünschte, man möge schon bei den Landesstellen eine Siebung der Gesuche vornehmen. Er bezeichnet die Haltung des Blattes als inkorrekt, andauernd oppositionell, in letzter Zeit mit besonders schlechter Tendenz. Er versagte sie daher mehreren galizischen Bewerbern, aber auch einem englischen Edelmann in Prag. Dagegen bewilligte er sie drei hochgestellten Beamten, nämlich dem Obergespan Karl Graf Esterházy, dem geheimen Rat und galizischen Land­rechtspräsidenten i. R. Ritter von Ostrow, als ehrenhaftem Beamten aus­nahmsweise, und dem Tiroler Militärkommandanten FMLt. von Weiden; diesem gestand er auch Laubes „Novellen“ zu, nicht aber Gutzkows „Öffent­liche Charaktere“. Sie waren bei Hoffmann und Campe herausgekommen. Diesem und einigen anderen Verlagen war der Debit entzogen worden, weshalb der Bezug bei ihnen verlegter Werke auf keinen Fall erlaubt wurde. Das trifft auch auf ein nicht näher bezeichnetes Prager Schedengesuch auf is) Wir finden beispielsweise ein 169. Verzeichnis, wissen aber nicht, wann das erste vorlag. Die hohen Gesuchsnummern (bis über 7000) sind wohl Exhibit- nummern überhaupt. Die 12 erhaltenen Verzeichnisse verteilen sich auf Jänner 1, März und Juni je 2, April 6, Mai 1 (dieses ohne Angabe der Schedenzahl). i«) Prag: ein Oberamtmann wollte „Die 7 Todsünden“, angeblich von Sue, worüber erst das Revisionsamt erheben mußte. — Venedig: ein Gübernialsekre- tär wünschte Werke von Féval, Sue, Dumas, de Kock; den „Ewigen Juden“ wollten ein Advokat und ein Eisenbahningenieur, dem der Gouverneur selbst „Die Geheimnisse von Paris“ zugestanden hatte. In Zara begehrte ein Adeliger (ohne Berufsangabe), in Salzburg ein französischer Sprachlehrer Viktor Hugos Notre Dame. Alle erhielten Sedlnitzkys Bewilligung.

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