Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
BENNA, Anna Hedwig: Eine Wiener Ratsliste und das Wiener Stadtrecht von 1340
22 Anna Hedwig Benna zahlreich vertreten sind, gehörten dem Rate sicherlich auch die Bürgermeister an. Obwohl wir bis in die Zeit der Ratswahlordnung von 1396 keine Normen für ihre Mitgliedschaft und ihre Funktionen im Rate besitzen, muß doch aus der Tatsache, daß sie in den wenigen erhaltenen Ratslisten jeweils als dem Rate angehörig verzeichnet sind 176) und daß sie in den zahlreichen Ratsurkunden zusammen mit dem Rate genannt werden177), auf ihre Mitgliedschaft geschlossen werden. Ohne Zweifel ist das Amt des Bürgermeisters weit jüngeren Ursprungs als das des Stadtrichters, das bis weit in die Frühzeit der Stadt zurückreicht,77a). Der älteste urkundlich genannte Wiener Bürgermeister Konrad I. Poll amtierte 1282 178), seine Amtszeit erstreckte sich mit Unterbrechungen bis 1305 179). Das reiche urkundliche Material des 14. Jahrhunderts ermöglichte die Erstellung von Bürgermeisterlisten für Wien 18°). Das völlige Fehlen von Quellen über die Existenz von Bürgermeistern vor 1282 — es wurde weder ein Vorsitzender der Bürgergemeinde noch der Behörde der 24181) und des aus ihr in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts entstandenen Rates bekannt — ließ die Forschung die Entstehung des Bürgermeisteramtes in Wien in Zusammenhang mit der Zeit der Reichsfreiheit Wiens in den Jahren nach 1278 182) bringen. Die Urkunde von 1282, in der der Bürgermeister Konrad Poll und der Rat der Stadt Wien neben dem Stadtrichter Reimbot als Aussteller erscheinen183), ist nur einige Monate jünger als die von einer Reihe von Wiener Bürgern, darunter dem Stadtrichter Reimbot für König Rudolf I. und seinen Sohn Albrecht als Reichsverweser ausgestellten Treuebriefe184 185). Konrad Poll selbst befand sich nicht unter den Ausstellern der Treubriefe von 1282, wohl aber unter den Ausstellern von 1288 18s) für Herzog Albrecht I. Erfolgte 1282 nur eine Treueerklärung einer Reihe Wiener Bürger, darunter des Stadtrichters 186) und Münzmeisters 187) für 176) Vgl. oben 13, 14 und S. 3. 177) Zum Formular der Ratsurkunden vgl. Luntz, Ratsurkunde, S. 139, 140. 177a) Brunner, Finanzen der Stadt Wien, S. 193. 178) Luntz, Ratsurkunde, S. 136, 137. Sailer, Ratsbürger, S. 15. Till, Wiener Bürgermeisteramt, S. 5. Wiener Stadtverfassung, S. 10. Karl Gutkas, Das Bürgermeisteramt in den niederösterreichischen Städten, MÖSTA 14, 1961, 111. 179) Sailer, Ratsbürger, S. 16, Anm. 4, Planitz, MIÖG. 58, 319, Anm. 14. 189) Tomaschek II, S. 261 ff. Sailer, Ratsbürger, S. 16. 181) Planitz, MIÖG. 56, 319. 182) Luntz, Ratsurkunde, S. 141, Anm. 4. Schuster, Geschichte der Stadt Wien I, 366, II/l, 395. Brunner, Finanzen, S. 179. Till, Wiener Bürgermeisteramt, S. 4. Wiener Stadtverfassung und Verwaltung, S. 10. 183) QGSTW. 1/2, n. 1521, 1282 August 22. Vgl. oben Anm. 178. 184) Vgl. oben Anm. 61, 62. 185) QGSTW. 1/3, n. 2846. Reg. Habsb. 1, n. 321. Zu den Treubriefen von 1288 vgl. oben Anm. 69, 70. 186) Vgl. oben S. 19, Anm. 83. 187) Stowasser, MIÖG. Erg. 5, 79 verzeichnet außer dem amtierenden Münzmeister Leopold auch den gewesenen Münzmeister Kuno.