Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

MEZLER-ANDELBERG, Helmut J.: Österreichs „Schwarze Legende“. Zur Kritik an der Habsburgermonarchie durch österreichische Zeitgenossen Erzherzog Johanns

ÖSTERREICHS „SCHWARZE LEGENDE“ Zur Kritik an der Habsburgermonarchie durch österreichische Zeitgenossen Erzherzog Johanns. Von Helmut J. Mezler-Andelberg (Graz)*). Der Zusammenbruch der habsburgischen Monarchie von 1918 zog unter hartem Druck von außen den Strich unter einen zwar schon lange wäh­renden, bis dahin aber doch noch nicht tödlich gewordenen Prozeß innerer Zersetzung, ohne damit die lastenden Probleme dieses Raumes wirklich zu lösen. Auch nach der staatlichen Zerstückelung blieb eine Fülle von Fragen bestehen, die mit Assoziationen und Ressentiments beladen, den Weg in eine neue Gestaltung der Zukunft erschwerten. In besonderer Weise hatte die neue kleine österreichische Republik an dieser Erbschaft zu tragen. Das in den Jahrzehnten seit ihrem Entstehen schmerzlich Erlebte wird völlig nur im Rückbezug auf die geistige Situation schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verständlich. Es waren nicht nur die Umstellung von der Großmacht auf den Kleinstaat, der Übergang von der Staatsform der Monarchie in die Republik, die Viele unvorbereitet trafen und durch ihre Schockwirkung lähmten. Die eigentlichen Ursachen saßen tiefer. Die Fragwürdigkeit der Existenzform des alten Kaiserstaates für manche Be­trachter wurde weithin abgelöst durch eine bange Beurteilung der Lebens­möglichkeit der jungen unabhängigen Republik, an deren Beginn nur geringe Zuversicht auf einen guten Fortgang stand. Ob im Einzelnen zu Recht oder zu Unrecht, tut hier kaum etwas zur Sache. Viel entscheidender bleibt der Umstand, daß es nicht gelungen ist, ein von allgemeinem patrio­tischem Pathos getragenes österreichisches Geschichtsbild und ein darauf basierendes gesamtösterreichisches Staatsbewußtsein von die Mehrheit ver­pflichtender Kraft zu schaffen. Erst jüngst hat Alphons Lhotsky darauf hingewiesen, wie der österreichische Historiker in den Jahrzehnten vor *) Der vorliegende Aufsatz bringt die etwas umgearbeitete und erweiterte Fassung eines Vortrages, den der Verfasser am 9. Februar 1961 in der von Herrn Univ.-Professor Dr. Alexander Novotny geleiteten Arbeitsgemeinschaft „Erzherzog Johann — Österreich — Europa“ der „Österreichischen Urania für Steiermark“ in Graz gehalten hat. Aufgabe des Referats war es, einleitend Rahmen und Hintergrund für den vierzehn Tage später (23. Februar 1961) folgenden Vortrag von Herrn Bibliotheksrat Dr. Berthold Sutter über die Österreichkritik Erzherzog Johanns zu geben.

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