Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 191 sten Zeiten, darum sind sie tüchtig geworden für noch schwerere Zeiten, letztere noch keine Schule, noch keine Erfahrung, noch kein Vertrauen des Volkes, sie müssen es erst erwerben.“ Weitaus günstiger als die konservativen wurden von Erzherzog Johann vielfach die oppositionellen und liberalen Kräfte beurteilt. In Ungarn, so wie überall, bildete — nach seiner Meinung — die Opposition eine kom­pakte Masse, „welche wisse, was sie will und thätig handelt“, obwohl sie die Minderheit darstelle. Hingegen seien die sogenannten Konservativen zwar in der Mehrheit, doch „faul und schwach“, „in sich selbst getheilt“, „jeder seinen Zweck verfolgend, jeder eine Rolle spielen wollend.“ Es stehe fest, daß diese „blind für die Bedürfnisse der Zeit, alles auf dem alten Stand behalten wollen, was ein Unsinn ist“ 50). Sehr bezeichnend für die Stellung des Erzherzogs zu den liberalen Kräften seiner Zeit aber ist neben dem bereits angeführten „Bekenntnis“, Liberaler im Sinne eines tätigen Fortschrittsmannes zu sein, seine Beurteilung der im Staatsdienst an her­vorragender Stelle tätigen „liberalen“ Männer. Als der Justizpräsident Graf Taaffe ihm gegenüber die Anklage erhob, daß in den wichtigsten Ämtern bereits lauter Liberale wären, schrieb der Erzherzog am 9. Jän­ner 1836 in sein Tagebuch: „ ... lauter Liberale. Als solche sprach er nammentlich Piliersdorf, Stipper, Kübeck, Knorr, Jüstéi —!! aus. Ach Gott! Lauter ausser st brauchbare Männer und mehrere davon mir sehr gut bekannt, von mir sehr geschätzet. — Liberale, ein Gemeinplatz, wo man gar vieles damit umfanget, ohne recht zu wissen, was man will. — Diese Liberalen wollte ich sehr gut brauchen, wenn ich Herr wäre. Denn ich frage gar nicht um dergleichen Begriffe, sondern um ihre Fähigkeiten, ihr Gemüth und Leistungen. Warum benützte und erhob sie der seelige Herr? Weil er es zum Grundsatz angenommen, und dies sehr weise schon durch Maria Theresia auf gestellt, die Gewalt der höheren Aristokratie durch bürgerliche Talente zu contrabalanciren.“ Rund zwanzig Jahre zuvor hatte Fürst Metternich gegenüber dem Erzherzog erklärt, daß zwei Gefahren bevorstünden, die eine von Frank­reich, die zweite von Deutschland „durch den Sprudelgeist, der sich äussert“ 51). Dazu hatte der kaiserliche Prinz vermerkt: „Hier hat er * 5 so) Tagebucheintragung vom 27. Jänner 1847. 5i) Tagebucheintragung vom 27. Dezember 1817. — In der Karwoche des Jahres 1819 schrieb der Erzherzog in sein Tagebuch (Eintragung 8.—11. April) : „Der Mord des Kotzebue machte viel Lärm . .. Ein deutscher Voltaire, der alles ohne Schonung ins Lächerliche zog, ist ganz gegen den deutschen Sinn und gegen alles, was neues dämmert, sich auflehnt. Schade ist um ihn keines­wegs. Der Mörder, ein junger Mann, Sand genannt, ein Schwärmer, schade

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