Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
192 Berthold Sutter sehr recht, weil man nicht nach dem Geiste der Zeit vorrückt; sonst wäre dieses keineswegs furchtbar, ln diesen warmköpfigen Burschen liegt doch ein guter Grund, es kömmt nur auf kräftige Hände an, die sie zügeln. Ein ruhiger Mensch ist entweder aus hoher Moralität. Dieses ist höchst selten ... Oder aus Kraftlosigkeit des Charakters, Unwissenheit etc. was leider meistentheils der Fall ist. Heiße Köpfe habe ich nie geforchten, denn sie zu bändigen giebt es Mittel genug. Grossentheils liegt zu Grunde ein warmes Herz, Kraft, Wille und Streben zum thatenreichen Leben. Vernunft lässt sich überzeugen, Herz bewegen. Aus solchen Menschen kann viel Schönes, Grosses hervorgehen, aber sie müssen geleitet werden, wie sie es erfordern . . .“ Erzherzog Johann aber hat nicht nur die Mißstände in der inneren Verwaltung bei den höchsten Wiener Zentralstellen, sondern, da er mit dem Volke zusammenlebte, auch bei den untersten Instanzen gesehen und kritisiert. Er sah die praktischen Auswirkungen der Untätigkeit in Verwaltung und Justiz * 52). Während ihm aber in den Fragen der Staatsführung und der Staatspolitik die Durchschlagskraft mangelte und ihm wirklicher Einfluß und jener Erfolg versagt blieb, der für den Gesamtstaat notwendig gewesen wäre, hat er —• und das kann nicht stark genug hervorgehoben und betont werden — an der Landwirtschaft, an Industrie und Gewerbe auch Kritik geübt, aber mit aller Zähigkeit, die ihm eigen war, das Übel — und zwar ohne jegliche amtliche Funktion — gewendet53 *), so durch die Gründung des „Joaneums“ und jener Anstalten, aus denen die Technische Hochschule Graz und die Montanistische Hochschule Leoben hervorgingen, durch die Gründung der Landwirtschaftsgesellschaft, einer Vereinigung um ihn, daß er sich einer solchen That schuldig gemacht. Mord bleibt Mord, besonders auch, wenn ein solcher nicht nöthig war. Dies ist nicht die Art, wie man mit jemandem rechtet. Es schadet nur der guten Sache, die solcher Mitteln nicht bedarf. Rein muß man seyn, wenn man dem Vaterlande etwas seyn will und dann wird nichts solches geschehen. Es aber liegt diese schwärmerische Tendenz in den Menschen und wem ergreifet sie zu erst? Dies sind gewiß die Besseren, denn Schlechte und Mittelmäßige erwämnen sich nicht für etwas, was ihnen gut scheinet. Es stehet uns eine kummervolle Zeit der Gährung bevor. Dieser Mord ist eines der vorangehenden Zeichen. Weisheit, Herz, Kraft und Billigkeit können allein dem Übel Vorbeugen, wohin früher oder später der Geist der Zeit die Welt hinreißet.“ 52) Diese bezeichnete er am 27. Dezember 1817 als „in einem jämmerlichen Zustande, schläfrig und käuflich“, eines „kräftigen Mannes“ bedürfend, „um wieder hochzukommen.“ 53) K. G. R. v. Leitner: Johann Baptist, kaiserlicher Prinz und Erzherzog von Österreich. Eine biographische Skizze. In: F. X. Hlubek: Ein treues Bild des Herzogtums Steiermark. Graz 1860, S. XI—XLVIII. — V. Geramb: Ein Leben für die Anderen. Erzherzog Johann und die Steiermark. Aus dem nachgelassenen Manus, bearb. v. O. Müllern. Wien 1959. — J. Steinberger: Erzherzog Johann und der Bauernstand. Leseheft für die Bauernjugend der Hauswirtschaftl. Fortbildungsschulen. Graz 1959.