Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)

SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich

Erzherzog Johanns Kritik an Österreich 173 man erbauen, die Donau regulieren — das wäre dringender, als die altehr­würdige Burg niederzureißen und neu aufzubauen. So sehr Erzherzog Johann die Tätigkeit forderte, so sehr waren ihm Menschen mit Betriebsamkeit und Geschäftigkeit verhaßt. Er setzte diese Eigenschaften mit „hohler Vielwisserei“ gleich. Er verlangte zuerst gründ­liches Erkennen des Notwendigen und dann dessen großzügige konsequente Durchführung. Er kritisierte jene Menschen, die immer wieder mit neuen Plänen kommen. Auch diese betrachtete er als Hemmschuh jedes echten Fortschrittes, denn sie stiften nur noch mehr Verwirrung. Ihm sind jene lieber, die nicht viel Aufsehen machen, einen Plan wohl und genau durch­denken, und dann mit Zähigkeit folgerichtig handeln. Er hat 1843 bei der Eröffnung der 21. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Graz feierlich erklärt: „Tätig zu sein ist unsere Bestimmung“ und dabei sich — bewußt oder unbewußt — an das im „Wilhelm Meister“ stehende schöne Goethe-Wort angelehnt: „Tätig zu sein ist des Menschen erste Be­stimmung, und alle Zwischenzeiten, in denen er auszuruhen genötigt ist, sollte er dazu verwenden, eine deutliche Erkenntnis der äußerlichen Dinge zu erlangen, die ihm in der Folge abermals seine Tätigkeit erleichtert“ 15 *). Auch Erzherzog Johann hat seine Forderung nach „Tätig zu sein“ sehr genau abgegrenzt und definiert, indem er hinzufügte: „und zwar in jener nützlichen Weise, welche das Wissen in allen seinen Zweigen fördert und erweitert zum Nutzen der Mitwelt, und dem Weiterschreiten, der Nachwelt den Weg bahnend zum Ruhme des teuren Vaterlandes“ le). Verschiedentlich zeichnet Johann das ihm vorschwebende Bild eines echten Staatsmannes. Dieser weiß, was er will, hat einen festen Willen, Verstand und Feingefühl, ist von unbedingter Konsequenz und entscheidet mit wenigen, bestimmten Worten. Ein weiterer Maßstab bei der Beurtei­lung der führenden Staatsmänner seiner Zeit ist für ihn die Uneigennützig­keit oder Selbstsucht. Ein Staatsmann habe zu erkennen, daß sein Weg ihn über Steine führe. Wer berufen werde, das Volk zu regieren und zu leiten, habe das Recht verwirkt, an sich zu denken, er habe für die All­gemeinheit da zu sein und Opfer zu bringen. Das ist sein Maßstab, mit welchem er seine Zeitgenossen mißt17). In den Jahren nach Wagram kritisiert Erzherzog Johann nicht minder is) J. W. v. Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre. (Bekenntnisse einer schönen Seele.) Cotta — Jubiläums-Ausgabe. Stuttgart XVIII, S. 163. i«) Originalkonzept Archiv Meran (verwahrt im Steiermärkischen Landes­archiv, Graz). — Druck: Tageblatt der 21. Versammlung dt. Naturforscher Graz 19. September 1843. — Vgl. dazu A. Closs: (Erzherzog Johann) Initia­tor der Naturwissenschaften. Steirische Berichte zur Volksbildung 1959, S. 81 ff. 17) Erzherzog Johann scheint nur beim einfachen Manne ein guter Men­schenkenner gewesen zu sein. Bei der Durchsicht seiner früheren Tagebücher im Jahre 1839 hat er manche allzu scharfe Kritik am Verhalten einzelner Persönlichkeiten durch Streichungen oder Zusätze gemildert. Vgl. V. Theiss: Leben und Wirken, a. a. O. S. 10.

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