Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 16. (1963)
SUTTER, Berthold: Erzherzog Johanns Kritik an Österreich
174 Berthold Sutter scharf als das Versagen der Verwaltung in den Wiener Zentralstellen seinen kaiserlichen Bruder 18). Er wirft ihm vor, er reise herum, „um von den Sachen nichts zu hören, leider, statt zu helfen“, auf ihn habe „einmal A, einmal B, einmal X Einfluss, und dies so veränderlich wie ein Aprilwetter“ 19 20) und ein andermal stellt Johann die Frage: „Was hat denn der Fürst davon, daß er allein isoliert, alles auf ihn reduziert da stehet. Nichts, als daß der Untertanen Herzen ... immer gleichgültiger werden.“ Noch 1817 finden wir gegen Kaiser Franz I. gerichtete Bemerkungen29), später nicht mehr, denn nun schiebt sich eine neue Sorge in den Vordergrund: die Handlungsunfähigkeit des Kronprinzen Erzherzog Ferdinand. „So ruhig ich meinetwegen bin, so wenig bin ich es wegen dem Übrigen. Mein Neffe, gut, voll Eigenschaften, aber in allem noch nicht entwickelt, soll heyraten. Sein Körper ist noch nicht kräftig genug, Erfahrung und Selbständigkeit fehlen ihm, bis izt gleichsam ohne Wille im Geringsten durch die Erzieher seiner Kindheit geleitet, soll er plötzlich da mit anderen Menschen stehen und ein gemachter Mann seyn. Dies ist eine unmögliche Sache ... Mir ist bey der ganzen Sache gar nicht gut zu Muthe“ 21) . Durch diese ungewisse Zukunft wird Kaiser Franz I. der Hort des Beständigen und auch Erzherzog Johann rückt noch näher an ihn heran. Charles Sealsfield sagte in diesen Jahren, daß selbst die sonst so widerspenstigen Ungarn „eine gewisse Ehrfurcht vor dem Alter des Kaisers“ hegten und „sich während seiner vierunddreißigjährigen Regierung an ihn gewöhnt“ hätten. „Deshalb werden sie bei Lebzeiten Franz I. ihre loyale Haltung und ihren Gehorsam weiterhin bewahren. Sein Naehfolger aber wird alle Kränkungen und Verstimmungen, die sich in fünfzig Jahren aufgehäuft haben, zu spüren bekommen“ 22). Was hier Sealsfield im Hin18) Im Zusammenhang mit dem ungarischen Landtag des Jahres 1811 in Preßburg, dessen Sitzungen Erzherzog Johann beiwohnte, führt dieser bittere Klage: „Das Ganze ist, der Kaiser machet alles allein, fragt Alle und trauet Keinem; aus allen den Rathschlägen wird dann etwas zusammengestoppelt, welches, da es aus so vielen heterogenen Theilen bestehet, gar nicht passt. Dabei zu Zeiten Aufwallungen von Unmuth und eine gewisse Lust, denselben auszulassen. Dann entfahren ihm Reden, die nicht gehalten werden sollten, weil, wenn ein Monarch etwas sagt, er es auch thun sollte, und hier geschieht es selten, also gehet niemand mehr darauf.“ 19) F. v. K r o n e s: a. a. O. S. 52. 20) Tagebucheintragung zum 10. bis 14. März 1817: „Er ahnet manches, er fürchtet es zu hören, und deutlich spricht sein Gesicht die Spuren des Kummers aus. Leider ist ihm in dieser Hinsicht weniger als jemals beizukommen und manche Stimme verhallet, weil Andere, Eifersucht, Misstrauen im Herzen, Absichten und Kenntnisse gegen diese erregen. Gott kann allein helfen.“ 21) Brief ohne Datum zum Tagebuch 1824. 22) Vgl. dazu H. J. Mezler-Andelberg: Österreichs ,Schwarze Legende“. Zur Kritik an der Habsburgermonarchie durch österreichische Zeitgenossen Erzherzog Johanns. Mitt. österr. Staatsarchiv 16, 1963, S. 216—249.