Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise
Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise 547 Marie Louise als Gastgeber zu empfangen und wenn diese die Ischler Kur machte, fand sich immer eine Gelegenheit zu wenigstens kurzen Aussprachen. Johann hatte für den „Sauß und Brauß der grossen Badörter“ 73), also auch Ischls nichts übrig, aber er besuchte mit seiner Familie häufig das damals noch stille und verträumte Gastein 74), von wo,aus er es nie versäumte, Marie Louise auf der Hin- oder Rückreise eben in Ischl zu besuchen, falls sie sich gerade dort aufhielt. Der Kontakt zwischen Onkel und Nichte fand aber nicht nur in Briefen oder Gastereien Ausdruck, sondern von allem Anfang an auch in hin- und hereilenden Geschenkssendungen. Sie bestanden, als Marie Louise noch in Frankreich residierte und wechselseitig später zur Zeit der englischen Reise Johanns vorzüglich aus Büchern — französischen und englischen Büchern, denn „unsere Literatur“, schrieb er über die österreichischen Erzeugnisse, „ist hier so arm und jene Werke, die erscheinen, sind meistens so gehalt- loß“, daß es sich nicht lohnte, sie zu verschicken75). Was aber Johanns Anerkennung fand, wanderte, nachdem er es genauest durchstudiert hatte, in seine Lieblingsschöpfung, das Joanneum in Graz 76): „Die mir gesendeten Bücher habe ich nach deren Durchlesung und Benützung in mein Institut nach Gratz abgegeben, wo sie gut aufbewahrt und gemeinnützig sind. Den Namen der Geberin sezte ich hinzu, damit jedermann es wisse. Die guten Menschen hatten dort darüber eine große Freude und ich erhielt ein langes Dankschreiben, welches eigentlich Sie betrifft“ 77). In solchem Zusammenhang finden sich die recht seltenen Andeutungen Johanns über seine wissenschaftlichen oder organisatorischen Arbeiten. Es ist gar nicht anzunehmen, daß bei der Nichte, die ihre Regierungsaufgaben in Parma ernst nahm, nicht genügend Interesse dafür vorhanden gewesen wäre, vielmehr dürfte in Johanns Bescheidenheit der Schlüssel für das fast vollständige Übergehen der eigenen Leistungen zu suchen sein. Aber nicht nur geistige Produkte — natürlich fremder Abkunft — fanden von einem Korrespondenzpartner zum andern den Weg, sondern auch Erzeugnisse der ihnen jeweils anvertrauten Länder, wie zum Beispiel „Pelzzweige für die Obstbäume“ aus Frankreich 78), Käse aus Parma oder der in Graz entwickelte Kuhpockenimpfstoff 79). All das trug dazu bei, Onkel und Nichte einander nahezubringen. All das waren neben den Briefen selbst Zeugnisse der eingangs gekennzeichneten 73) Nr. 59 vom 27. 7. 1841. 74) Dazu mehrere Briefe aus 1840—42 in Wien und Graz. 75) Nr. 6 vom 1. 12. 1812. 75) Vgl. Das steiermärkische Landesmuseum Joanneum und seine Sammlungen. Zur 100jährigen Gründungsfeier des Joanneums hrsg. vom Kuratorium des Landesmuseums. Redigiert v. Anton Mell. Graz 1911. 77) Nr. 7 vom 28. 3. 1813. 78) Nr. 7 vom 28. 3. 1813. „Pelzzweig“, Stämmchen, Stock, Pelzstock, womit gepelzt, gepfropft wird. Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch Bd. 7, Leipzig 1889, Sp. 1539 f. 79) Graz, Landesarchiv a. a. 0„ Laybach, 3. 9. 1844 und Wien, 24. 4. 1846. 35*