Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise

548 Edith Wohlgemuth-Kotasek Freundschaft. Diese Freundschaft war, wie dargelegt werden konnte, weder sensationell, noch banal, ein warmes verläßliches Gefühl, ein edles Ver­trau tsein und eine tief im Wesen wurzelnde Treue zum Verwandten, zur gemeinsamen blutsmäßigen und geistigen Herkunft und zu einer von schlichter, pflichtbewußter Menschlichkeit bestimmten Lebensauffassung. Darum schrieb auch Johann nicht allzu oft direkt, was ihm die Nichte, die, wie schon einmal erwähnt, viel eher als Schwester angesehen wurde, bedeutete oder was er ihr selbst sein wollte: „Kommen Sie bald zu uns — dieß Jahr wird der Sommer schön werden — ich bereite indeß alles zu Ihrem Empfange und lasse meine rostigen Canonen putzen, um sie nach Ehren und Gebühr einzuschießen“ 80). „... bey aller meiner Kürze aber bin ich doch der alte, der Ihnen herz­lich gern schreibt und nur wünschet, Sie möchten in diesen Jahren wieder einmal in unsere Heimat kommen. Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft und glauben Sie auch immer Ihrem treuen Oheim“ 81 )• „Sie haben es also gemerket, wie mir hart bey Ihrer Abreise wurde — wir anderen, Bergbewohner, können das, was wir fühlen, nicht verbergen, denn unser Leben hat doch das Gute, daß uns der Zwang, den man leider oft im Verkehr mit der grossen Welt sich anthun muß — nicht nöthig ist. Wir stellen uns die Lage eines jeden vor, wie sie ist, und denken uns ganz in sein Gefühl, folglich fühlen wir mit ...“ 82 *). „... Sie aber haben das Mittel gefunden, meine Feder in Bewegung zu bringen ...“ 8S). „Wie freue ich mich auf die Nachricht ihrer Reise, Sie mögen nun über Graz kommen oder auf dem Rükweg diese Stadt betreten, gleichviel, ich werde bereit seyn, Sie zu bewillkommen in dem schönen guten Lande —“ 84). „Gott erhalte Sie recht gesund, wir mögen uns denn begegnen oder nicht, so halten Sie mich steets für den, dessen treue Freundschaft nichts vermin­dern kann, Ihr treuer Oheim Johann“ 85). Damit ist alles gesagt, was einer Geschichtsquelle zu entnehmen ist, deren Entstehung jede publizistische Absicht, deren Inhalt jede willkürliche Parteilichkeit ausschließt, deren Urheber aber — und damit soll, was an den Beginn dieser Untersuchung gesetzt wurde, auch Abschluß und Ergeb­nis bilden — bei allem Hervorragenden seiner historischen Persönlichkeit ein liebenswürdiger Mensch war. so) Nr. 23 vom 18. 2. 1818. 81) Nr. 31 vom 20. 2. 1821. 80 Nr. 35 vom 25. 12. 1828. 88) Nr. 36 vom 16. 1. 1829. 84) Nr. 39 vom 16. 4. 1830. 8s) Graz, Landesarchiv, a. a. 0., Brandhof, 12. 9. 1845.

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