Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
WOHLGEMUTH-KOTASEK, Edith: Erzherzog Johann in seinen Briefen an Marie Louise
540 Edith Wohlgemuth-Kotasek Herzen schlagen — ein Beweiß davon, daß unsere Geschichte keine schlechte Ehe aufzuweisen hat“ 40). Es würde zu weit führen, alle die teilnahmsvollen und oft von rührender Fürsorglichkeit bestimmten Bemerkungen aufzuzählen, die einmal diesem, einmal jenem Familienmitglied galten — und doch nur im beschränkten Maß geeignet sind, erschöpfende Einblicke zu gewähren. Diese Einschränkung gilt aber nicht für Johanns Aussagen über seine Einstellung zu Kaiser Franz. Mögen diese in seinen Briefen an Marie Louise auch zahlenmäßig nur gering sein, stellen sie doch ein gültiges Dokument einer unangreifbaren und daher unwandelbaren Gesinnung dar. Es wurde schon angedeutet, wie sehr Johann in diesem Bruder, der ihm in seinem Gottesgnadentum verklärt und erleuchtet erschien, den Vater verehrte: „Er (der Kaiser) muß uns alle als seine Kinder betrachten, denn das sind wir — Gott möge diesen Vater lange erhalten —“ 41). Als aber dieses Herz zu schlagen aufgehört hatte 42), erfaßte Johann eine an Verzweiflung grenzende Niedergeschlagenheit. Da er Marie Louise von ähnlichen Gefühlen bewegt glaubte, war nichts naheliegender, als gerade auch ihr gegenüber seinem Schmerz ergreifenden Ausdruck zu geben: „Ich hätte Ihnen gerne geschrieben, aber die Zeit war zu neu und da gehet es nicht, auch war ich krank und in der ersten Zeit unfähig, nur das Geringste zu thun. Ruhe, Einsamkeit thun nun das Beste und der heftige Schmerz, welcher das ganze Nervensystem aufregte, hat nun einen (!) stillen Kummer Platz gemacht, welcher bleibend ist. Gottlob, ich bin wieder im Stande, etwas zu leisten und will es auch solange als möglich jenem zuliebe, den wir verlohren. Gesehen habe ich den Herren einige Stunden nach seinem Tode und die theure kalte Hand geküsset, die mir so viel Gutes gethan. Er kannte mein Herz, meine Treue und Liebe zu ihm und hatte mich schon früher bey anderer Veranlassung gesegnet ... Eine grosse Leere ist nun für mich — die Burg ist so öde, jede Stiege, jedes Fenster eine Erinnerung. Überall fehlet das, was belebte. ■—- Mein zweyter Vater, mein Wohlthäter, mein Freund, mein lieber Herr ist mir genommen — zu wem kann ich mehr so sprechen, wem alles anvertrauen, wo Rath, Hülfe, Entscheidung gleich finden — das ist und kann nicht mehr seyn. Gewisse Dinge wiederholen sich kein zweytes Mahl in der Welt. — Um nur das Geringste zu bewirken, zu wie vielen muß ich nun laufen, wo ich es vorher mit wenig Worten bey ihm bewirken konnte. Wer kennt und verstehet mich so wie er — und vorzüglich in den letzten drey Jahren, wo er sich ganz überzeugte und ein so inniges Verhältniß eintrat. Meine Klagen hätten kein Ende, wollte ich alles schreiben, was ich denke. Wir werden seinem Andenken zulieb alles thun, und gewiß wird Eintracht herrschen. Der Seelige hat es für die Führung der Geschäfte so weise eingerichtet. Unser neuer Herr wird unerschütterliche treue Diener, ohne 40) Ibid. 44) Nr. 45 vom 3. 12. 1832. 42) 2. 3. 1835.