Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
BLAAS, Richard: Die Tätigkeit der k. k. Aktenrückführungskommission in Paris 1814 und 1815
30 Richard Blaas Gendarmerie viel Verdruß und Sorgen verursachte und am Ende dennoch nichts fruchtete; in den meisten Orten existiert auch keine Gendarmerie, daher war ich und der Unteroffizier nicht selten bemüßiget miteinander bis in die späte Nacht selbst Wache zu halten. In Deutschland sah ich mich notgedrungen zur Aufnahme eines oder zweier Nachtwächter gezwungen, weil ich daselbst ganz ohne Militärbedeckung war und durch dieses Mittel den Transport ebenfalls sicherte. Zu Straßburg am 11. November auf der Maut daselbst hat der dortige Beamte den Transport über den Rhein gehen zu lassen Anstand genommen, weil er, wie er sagte, hievon nicht in die Kenntnis gesetzt wäre und weil die Fuhrleute eine sogenannte Expedition hätten vorzeigen sollen. Zu Ulm habe ich laut Beilage den in 147 Kisten bestehenden Transport an die k. k. österr. Kommissäre Hoffmann und Teuchgruber und dem Handelshaus Kindervater richtig übergeben und mich des hohen Auftrages dadurch entledigt“ 53). Der Reiseweg führte, wie aus Champagnes weiteren Aufzeichnungen hervorgeht, von Paris der Marne entlang über La Ferté, Chateau Thierry, Dormans nach Chalons und über Vitri le Francais, La Perte durch Lothringen nach Zabern und Straßburg und von dort über Hügelsheim, Ettlingen, Pforzheim, Schwieberdingen, Eßlingen, Göppingen und Lutzhausen nach Ulm. Der Konvoi kam am 20. November in Ulm an und wurde, da es für eine Verschiffung auf der Donau bereits zu spät im Jahr war, auf Lager gelegt. Nur die 8 Kisten mit den orientalischen Handschriften und die 3 Kisten mit wichtigen Akten der Staatskanzlei wurden wegen ihres besonderen Wertes auf Weisung der Kommission sofort per Achse nach Wien weitergeleitet53 54). Die Verhandlungen in Paris gestalteten sich indeß immer schwieriger; es wurde zwar ein sehr reger Notenwechsel geführt, aber er zeitigte kein greifbares Resultat. Die Ergebnisse auf dem Sektor des Gemäldetausches sind völlig unbefriedigend und Graf Bombelles beklagt sich nicht nur über die Langsamkeit, mit der die Angelegenheit von den Franzosen betrieben wird, sondern wohl auch mit Recht über die böswillige Haltung des Galeriedirektors Denon „qu’y met autant de lenteur que de mauvaise volonté" 55 *). Auf dringende Vorstellung der k. k. Kommission hatte sich endlich auch Fürst Metternich in die Verhandlungen eingeschaltet und mit Talleyrand direkt über die Rückstellungen in Wien verhandelt 5»), doch blieb man in Paris, bevor greifbare Ergebnisse der Wiener Verhandlungen Vorlagen, bei der „art de temporiser que est plus que jamais ici l’ordre du jour“ 57). Einer direkten Intervention des Kaisers bei König Ludwig XVIII., die die Kommission als letzten Rettungsversuch befürwortete, versagte sich Metternich 53) St.K. Frankreich-Varia, K. 74, Wien D. — Schlußbericht Champagnes vom 19. 12. 14. 54) Ebenda, Varia, K. 67. — Korrespondenz Bombelles mit General Volkmann in Kehl, mit den Transportkommissären in Ulm und dem Handelshaus Kindervater in Ulm. Instruktion für Champagne vom 27. 10. 14. 55) St.K. Frankreich-Berichte 1814, K. 222. — Bericht Bombelles vom 2. 11. 14, nr. 3. 5«) Ebenda. Weisungen 1814, K. 223. — MetternichanBombellesvomll.il. 57) Ebenda, Varia, K. 67. — Bericht Bombelles vom 12. 11.