Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
BLAAS, Richard: Die Tätigkeit der k. k. Aktenrückführungskommission in Paris 1814 und 1815
Die Tätigkeit der k. k. Aktenrückführungskommission in Paris 31 mit dem Hinweis auf die von ihm geführten Verhandlungen und auf den in Paris weiterlauf enden Meinungsaustausch58). Das Hauptargument der Österreicher ist und bleibt der zweite Zusatzartikel, der kaum eine Möglichkeit zu einer abweichenden Interpretation bietet. „Vouloir en suspen- dre“, schreibt Metternich an Talleyrand, „l’execution, ce seroit remettre en question ce qui est decidé par le traité; ce seroit s’en constituer juge, et telle ne peut étre l’intention du Ministére frangaise“ 59). Einen offenen Vertragsbruch vermeidet man von französischer Seite, aber man behilft sich mit dauernden Ausreden und schiebt die Verantwortung über die Erteilung der Aktenfreigabe von einem Minister auf den anderen ab. Graf Bombelles resümiert seine diesbezüglichen Bestrebungen in seinem letzten Bericht vom Jahre 1814, „mais malgré toutes nos demarches réitérées il n’a pás été possible d’en tirer jusqu’ici une réponse relativement ä cet objet. Ce silence opinatre me semble prouver que le Ministére frangais tout en se refusant ä nos justes demandes est cependant trop convaincu du droit incontestable que l’article susmentionné donne ä la Cour de Vienne de réclamer ces archives, pour ne pas hésiter de consigner dans une note officielle un refus aussi manifeste d’exécuter les stipulations du traité de paix“ 60). Zu Beginn des Jahres 1815 setzt ein richtiger Notenkrieg ein; die österreichische Kommission im Rücken, dauernd bedrängt durch die Weisungen und Forderungen aus Wien, bombardiert die französische Regierung mit Noten61 62). Diese behilft sich damit, daß sie die längste Zeit die Noten einfach nicht beantwortet und dann, als eine Antwort nicht mehr zu umgehen war, die Verantwortung auf Talleyrand und den Wiener Kongreß abzuwälzen suchte. Das dringendste Petitum der Zentralstellen in Wien waren die Staatskanzleiakten und die Akten der Hofkanzlei über Tirol, Salzburg, Westgalizien und Vorarlberg, die für die Verwaltung unentbehrlich waren, „da man in dem Falle ist, in die früheren Verhandlungen Einsicht nehmen zu müssen und durch den Abgang in vielen Geschäften eine nachteilige Stockung ein- tritt'4 62). Die französische Weigerung, diese Akten herauszugeben, war nachgerade direkt provozierend und konnte nicht mehr länger hingenommen werden. Graf Bombelles richtete eine Note nach der anderen an Graf Jau- court, erhielt aber meist keine Antwort; man versteifte sich auf den Standpunkt, daß vor Abschluß des Wiener Kongresses nichts mehr ausgeliefert werde, obwohl man die Unhaltbarkeit dieser Taktik einsah und in mündlichen Aussprachen auch offen zugab: „ceministre (Jaucourt) m’avoua 58) Ebenda, Varia, K. 74, Wien D. — Weisung Metternichs an Bombelles vom 11. 12. 14. 59) Ebenda. Beilage: Note Metternichs an Talleyrand. ") Ebenda. Bericht Bombelles vom 23. 12. 14, nr. 7, P.S. I. 61) Vgl. St.K. Frankreich-Varia, K. 75, Nachträge zur Unterabteilung 40. — Konv. 4) Notenwechsel mit Innenminister Abbé Montesquiou; Konv. 5) Notenwechsel mit dem stellvertretenden Außenminister Comte Jaucourt; Konv. 7) Notenwechsel mit Bombelles in Paris. 62) Ebenda. Weisung an Bombelles vom 16. 2. 15.