Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag
BLAAS, Richard: Die Tätigkeit der k. k. Aktenrückführungskommission in Paris 1814 und 1815
26 Richard Blaas Schwierigkeiten, die plötzlich auftauchten, kamen von politischer Seite. Der Anfang August nach Parma abgegangene Aktentransport im Umfang von 33 Kisten war plötzlich und unvermutet auf höheren Befehl in Lyon aufgehalten und beschlagnahmt worden86). Das war das Signal für den Umschwung in den Verhandlungen. Archivdirektor Daunou ließ nun durch Altieri die Kommission wissen, daß er den Befehl erhalten habe „de ne plus rien délivrer“ 36 37). Zur Rechtfertigung dieses unvermuteten Schrittes berief man sich französischerseits auf eben jenen Artikel 31 des Friedensvertrages vom 30. Mai 1814, in dem die Rückgabe stipuliert war. Dieser Artikel wurde dahingehend interpretiert, daß Österreich nur jene Akten zurückgestellt werden müßten, die sich auf Länder bezogen, die vor dem letzten Krieg zur Monarchie gehörten, während die Akten der eben erst abgetretenen Gebiete erst dann abgetreten werden sollten, nachdem über die Zugehörigkeit dieser Provinzen endgültig, d.h. auf dem Wiener Kongreß entschieden wäre38). Bei dieser Auslegung konnten die Belgischen Akten, die Reichsarchive, die Hofkanzleiaktén betreffend Tirol, Vorarlberg, Salzburg, Westgalizien usw. vorläufig von der Restitution ausgenommen und damit der Hauptteil der 1809 den Wiener Archiven entnommenen Bestände zurückgehalten werden. Da außerdem große Teile der Staatskanzleiakten in Paris in das Reichsarchiv eingeordnet worden waren39), bestand wenig Aussicht, selbst diese eindeutig restitutionspflichtigen Akten bald zurückzuerhalten. Die Auslieferung wurde unter dem Prätext verweigert, Frankreich wolle allen Verlegenheiten Vorbeugen, die ihm seitens der eventuellen neuen Eigentümer einmal erwachsen könnten40). Die ganze Angelegenheit sollte von Paris ab- und dem Kongreß in Wien zugeschoben werden. Man war offensichtlich um einen Zeitgewinn bemüht, um den gewiß auf anderen Gebieten lästigeren Restitutionsverpflichtungen ausweichen zu können. War schon die willkürliche Auslegung des Artikels 31, seinem eigentlichen Inhalt widersprechend, kaum diskutabel, so war doch der zweite geheime Zusatzder französischen Archive versprochenen und neuerlich von S. Majestät gnädigst gebilligten Gratifikationen von 200 Napoleon d’or betragen 4000 francs.“ 36) St.K. Frankreich-Berichte 1814, K. 222. — Bericht Bombelles vom 13. 8. 14, nr. 11. 37) Ebenda. 38) Ebenda. Bericht nr. 12, P.S. VIII. vom 1. 9. 14 und nr. 14 P.S. I. vom 15. 9. 14. „Les pieces et notes ci-jointes, concernant ma correspondance avec le gouvernement frangais au sujet de la remise des archives et de l’exécution de Particle 31 du traité, mettra Votre Altesse ä mérne de voir ä quel point l’on a de tout cőté su multiplier les difficultés et les chicanes.“ 3°) St.K. Frankreich-Varia, K. 75, Nachträge zur Unterabteilung 40, Konv. 5: Notenwechsel mit Graf Jaucourt, stellvertretender Außenminister. Bombelles macht in seinen Noten immer wieder darauf aufmerksam, daß die reklamierten Staatskanzleiakten erst in Paris unter das Reichsarchiv eingereiht worden sind. Vgl. auch Gesamtinventar, a. a. O., I, S. 404. 40) St.K. Frankreich-Berichte 1814, K. 222. — Bericht Bombelles nr. 11 vom 13. 8. 14.