Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 14. (1961) - Festschrift für Gebhard Rath zum 60. Geburtstag

REGELE, Oskar: Die Entwicklung der habsburgisch(-lothringischen) Militärdiplomatie

Die Entwicklung der habsburgisch (-lothringischen) Militär-Diplomatie 313 dem Missionschef und dem Attaché zu und es wurde im Prinzip der Dienst­weg aller Meldungen über den Chef ohne „militärische Nebendiplomatie“ (Ritter) gefordert. In der Frage des Dienstweges kam es im Deutschen Reich5) in der Ära Waldersee (Generalstabschef 1888/91) zu einem zähen Konflikt zwischen dem außenpolitischen und militärischen Dienst, der mit dem formellen Sieg des Leiters der Außenpolitik im Sinne des allei­nigen Dienstweges über den Missionschef endete — was allerdings keines­wegs die Unterbindung privater mündlicher oder schriftlicher Mitteilungen bedeutete. In Österreich-Ungarn war der Chef des Generalstabes ausdrück­lich ermächtigt, mit den Militárattachés direkt zu verkehren und General von Conrad ließ sich daher von seinen Militärattachös dauernd briefliche Mitteilungen zukommen, wie ja der private Briefverkehr mit Untergebenen bei allen Ressortchefs des Staates unbestritten ist. Beanständet wurden wohl nur Mitteilungen politischer Natur, die den militärischen Stellen unmittel­bar vorgelegt wurden, wie es der Instruktion von 1873 entsprach. In Deutschland hatte Kaiser Wilhelm II. entschieden, daß die Berichter­stattung der Marineattachés „eine Beschränkung nur auf marinetechnische Fragen nicht zuläßt“ und W. Z e c h 1 i n bezweifelte die Möglichkeit, zwi­schen den politischen Berichten der Missionschefs und den rein militär­technischen der Militärattachös eine eindeutige Trennungslinie zu ziehen. Es fragt sich übrigens, ob eine getrennte Berichterstattung auf welchem Wege immer schädlich sein müsse, denn es liegt doch im Interesse sowohl der außenpolitischen wie der militärischen Zentrale, eine recht vielseitige Beleuchtung aller Vorgänge zu erhalten, um eine breite Beurteilungsgrund­lage zu gewinnen. 1913 bestanden zwischen dem Gesandten von Ugrón in Belgrad und seinem Militärattachö G e 1 i n e k Meinungsverschiedenheiten in der Beurteilung der politischen Vorgänge in Serbien und Conrad hätte hievon nie etwas erfahren, wenn der Attaché ihn nicht brieflich unterrich­tet hätte. Es wäre bestimmt ein Nachteil gewesen, hätte man durch einen starren einzigen Berichtsweg das Bekanntwerden gegenteiliger Ansichten abgewürgt. Im Mittelpunkt des Gesamtdienstes stand selbstverständlich das Erar­beiten eines tunlichst lückenlosen Bildes der militärischen Leistungsfähig­keit und der Absichten des zu beobachtenden Staates und ein solches Bild konnte nur auf mehreren Wegen entstehen. 1860 hatte Graf Rechberg als Außenminister die Vertretungsbehörden angewiesen, den militärischen Informationsdienst zu fördern, 1912 gestattete das Außenministerium lediglich den Konsularämtern eine Mitarbeit. Von jeher zeigte es sich, daß die offene Nachrichtenbeschaffung durch die Missionen nicht genügen konnte, daß daher der von den Zentralstellen im Frieden daheim zu leitende 5) Zur Geschichte der deutschen Militarattachés und -Bevollmächtigten liegt neuere Literatur von H. 0. Meisner „Militärattaches und Militärbevoll­mächtigte in Preußen und im Deutschen Reich“ (1957) und von G. Ritter „Die deutschen Militärattaches und das Auswärtige Amt“ (1959) vor.

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