Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)
GOLDINGER, Walter: Das ehemalige Adelsarchiv
496 Archivberichte Schien so weiteren Erörterungen der Boden entzogen, so machte sich doch das Bedürfnis nach einer Evidenthaltung des österreichischen Adels gerade wegen der weitgehenden Unterschiede zwischen den Erblanden und den neuerworbenen Provinzen weiterhin geltend. Daß das Problem nicht einfach zu lösen war, ergibt sich schon aus der Zahl der Familien, um die es sich handelte und die etwa mit Bayern, wo seit 1808 ein besonderes Heroldsamt bestand30), nicht zu vergleichen war. Galten doch im Jahre 1845 1,59% der Bevölkerung des Gesamtstaates als Adelige!31 32) Als der Kaiser Vorschläge über die Evidenthaltung des Adels verlangte und ihm darauf berichtet wurde, daß er ja selbst das Projekt eines Heroldsamtes inhibiert habe, erläuterte er seine Absichten dahingehend, daß es sich um ein anderes Problem handle. Es gehe nicht um die Schaffung eines neuen Amtes, auch wünsche er dermalen keine Einbeziehung Ungarns und Siebenbürgens. Die Angelegenheit erledigte sich dadurch, daß die Schaffung des Adelsarchivs im Zusammenhang mit der Neuorganisierung der Registraturen der Hofkanzlei als ein erster Schritt auf diesem Wege angesehen werden konnte. Freilich war damit nicht die Frage gelöst, wie jene Adeligen zu erfassen seien, die über keine Diplome verfügten oder über deren Urkunden die Hofkanzlei weder Konzepte noch sonstige Aufzeichnungen (Registereintragungen) besaß. Auch war damit keine Evidenz der überhaupt zur Führung von Adelstiteln berechtigten lebenden Personen gegeben. Dies hätte nur durch Anlegung einer Adelsmatrikel der Fall sein können, für die aber hinlängliche Unterlagen fehlten. Man war sich darüber klar, daß die Militärkonskriptionsbögen nur zeigten, welche Personen sich als adelig ausgaben. Den Weg eines öffentlichen Aufrufes, also einer individuellen Erfassung und amtlichen Überprüfung aller Adelspersonen, wollte man vermeiden. Man war sich über die relative späte Entstehung des Briefadels durchaus klar und argumentierte, daß gerade die angesehensten Familien oft nicht in der Lage sein dürften, einen schriftlichen Nachweis ihres Adelstitels zu erbringen. Im übrigen wollte man es vermeiden, durch einen öffentliche Aufruf die Meinung hervorzurufen, daß die Behelfe der Adelszentralbehörde mangelhaft seien3®). 30) Hans N u s s e r, Die Heroldenamtsbestände im Bayer. Hauptstaatsarchiv. Mitt. f. d. Archivpflege in Bayern 4, 1958, 1—5. D e r s., Das Bayerische Adelsedikt vom 26. 5. 1818 und seine Auswirkungen in Bayern. Bayern, Staat und Kirche, Land und Reich [1961] 317 ff. 31) AVA: Adelsgeneralia 1/6. 32) Kaiser Franz verlangte mit Handschreiben vom 30. November 1826 vom Hofkanzler Grafen Saurau ein Gutachten über die Zweckmäßigkeit einer Adelsmatrikel, erledigte aber dessen Vortrag vom 7. XII. 1826 am 15. IV. 1833 mit dem Hinweis, daß die Sache nicht im Zusammenhang mit einem Heroldamt betrachtet werden dürfe. Auf einen neuerlichen Vortrag des Grafen Mittrowsky vom 31. V. 1833, in dem auf die in den letzten Jahren im Adelsarchiv durchgeführten Arbeiten hingewiesen wurde, erging am 27. VII. 1833 die Weisung, über den Gegenstand auch die Länderstellen einzuvernehmen. Eingehend nahmen dazu die steirischen Stände unter Vorlage eines Projektes des Archivars War- tinger Stellung. AVA: Adelsgeneralia 1/7.