Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 13. (1960)
BRUSATTI, Alois: Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österreichischen Vormärz
Unternehmensfinanzierung und Privatkredit im österr. Vormärz 368 z. B. als Viehseuchenversicherung. Zu diesem Zweck wollte die Gesellschaft entsprechende Daten und anderes statistisches Material von den österreichischen Behörden haben, was ihr aber mit dem Hinweis, man könne einer Privatgesellschaft keine behördlichen Mitteilungen machen, abgelehnt wurde 94 ). Neben den vorwiegend italienischen und Wiener hatten eine Reihe ausländischer Versicherungsgesellschaften Österreich in ihren Geschäftsbereich einbezogen, da es allen Staatsbürgern ja frei stand, mit ausländischen Unternehmungen Versicherungsverträge abzuschließen. Die Hofkammer sprach sich entschieden gegen Errichtung von Agenturen solcher ausländischer Gesellschaften auf österreichischem Staatsgebiet aus; während in dem damals sehr liberalen Preußen ausländischen Versicherungsanstalten, z. B. der „Riunione Adriatica“ ohne weiters die Niederlassung erlaubt wurde, bekam die „Niederrheinische Güter-Assekuranzgesellschaft, Wesel“ keine Zulassung zur Errichtung von Agenturen in Österreich, obwohl — wie aus dem Notenwechsel hervorgeht — fast ein Drittel der böhmischen Grundbesitzer bei dieser Gesellschaft versichert war °5). Wenn man von der Nationalbank, die ebenfalls auf Aktien gegründet wurde, absieht, wurde dem Gedanken der Aktiengesellschaft vor allem durch die Errichtung der großen Eisenbahnlinien zum Durchbruch verholten. Die erste war die „kk. priv. Eisenbahngesellschaft“, die am 12. März 1825 ihr Privileg erhielt96); es handelte sich dabei um jene Pferdebahn, die von Gmunden über Linz nach Budweis führte und das Salz des Salzkammergutes nach Böhmen bringen sollte. Die wichtigsten Aktionäre waren anfangs Geymüller, Sina und Joh. Mayer, der Chef des Hauses Stametz; erst 1833 beteiligte sich Rothschild. Auch bei den Dampfeisenbahnen wurde beinahe selbstverständlich die Form der Aktiengesellschaft gewählt; am 4. März 1836 erhielt die „Kaiser Ferdinands-Nordbahn“ ihr ausschließliches Privileg. Wie sehr bei diesem Bahnbau die wirtschaftlichen Motive — und nicht etwa staatspolitische, strategische oder andere Motive — im Vordergrund standen, zeigt schon die Trassenführung, die Wien und die Donau mit der schlesischen Kohle und dem galizischen Salz verbinden sollte; aber bezeichnend war es auch, daß im ersten, noch provisorischen Komitee kein Techniker oder Beamter saß, sondern die Finanzleute Biedermann, Eskeles, Geymüller, Larisch, Mayer, Sichnowsky, Sina, Wertheimstein und vor allem Rothschild, der Initiator dieses Bahnbaus. Die dabei zustandegekommene Gesellschaft gab 12.000 Aktien zu je 1000 Gulden aus. Auch bei der Wien—Raaber Eisenbahn, der zweiten großen Privatbahn Österreichs, ging die Initiative von Sina, dem „zweitreichsten Mann Österreichs“ aus 9'). Wieder kam eine AG. 94) FA: 20469 ex 1845. 95) FA: 42644 ex 1845. 96) Bezüglich des Bahnwesens: Strach: Gesch. der Eisenbahnen ... (s. o.). 97) Laut Wurzbach.