Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Seipel und die Konkordatsfrage. Ein Memorandum zur Note des Kardinalsstaatssekretärs Pacelli vom 17. März 1931

438 Erika Weinzierl-Fischer Konkordat zu beheben, war aber auch Bundeskanzler Schober während seines Aufenthaltes in Rom im Februar 1930 von dem damaligen Rektor der Anima Alois Hudal aufmerksam gemacht worden4). Schober versuchte dann allerdings im Sommer 1930, die Ehefrage mit Hilfe der Großdeutschen und der Sozialdemokraten auf parlamentarischem Weg durch ein inner­staatliches Gesetz zu lösen, doch scheiterte dieser Versuch an dem energi­schen Veto der Christlichsozialen, die die so geplante Durchführung der Eherechtsreform sogar zur Schicksalsfrage der bürgerlichen Koalition machten4a). Die bedeutendste christlichsoziale Zeitung, die „Reichspost“, erklärte dabei ausdrücklich, „daß eine Abänderung der bestehenden staat­lichen Ehegesetzgebung nur innerhalb einer umfassenden Ordnung des ganzen kulturpolitischen Komplexes und nicht als Teillösung angegangen werden kann“ 5). Seipel hat diese Haltung gut geheißen und voll unter­stützt 6). Hatte sie doch die Niederlage Schobers zur Folge 7), die bedeutete, daß nunmehr die Eherechtsreform, wenn überhaupt, so nur in der von der Reichspost angedeuteten Weise, nämlich in Form eines Konkordates er­reicht werden konnte, für das er selbst ja schon seit geraumer Zeit arbeitete. Als Seipel dann wenige Wochen später im Kabinett Vaugoin8) den Posten des Außenministers übernahm, sondierte er den Nuntius Sibilia bereits „amtlich über die Opportunität eines Konkordates“ 9). Nach dem Ausgang der Wahlen vom 9. November 1930 10 *) war jedoch die Lage der Regierung Vaugoin unhaltbar geworden. In dieser kritischen Situation riet nun Seipel zur Bildung einer Arbeitsgemeinschaft „aller bürgerlichen Par­teien einschließlich des Heimatblocks und schlug ein gemeinsames Statut für die Zusammenarbeit in einem einzigen Klub vor“ 41). Die kleinen Par­teien lehnten die Bildung dieser „Großen Koalition“ jedoch ab, was Seipel auch im Hinblick auf das angestrebte Konkordat — ebenso wie der für den Konkordatsplan bereits gewonnene Kardinalstaatssekretär Pacelli — 12) sehr bedauerte13). In die jetzt von dem christlichsozialen Landeshaupt­4) Freundliche Mitteilung von Seiner Exzellenz Bischof Alois Hudal, Rom. 4a) Vgl. Wiener Allgemeine Zeitung vom 14. VIII. 1930, 5) Reichspost vom 13. VIII. 1930. 8) „Die RP. hat geschrieben, ohne mich zu fragen; ich glaube, sie war vom Kardinal halbwegs inspiriert, weiß es aber nicht bestimmt. Ich finde ihre Hal­tung im großen ganzen sehr gut.“ Seipel an Mataja, 18. VIII. 1930, Kop., im Besitz des Verlages Herold. Für die freundliche Erteilung der Benützungsbewil­ligung sei Herrn Generaldirektor DDr. Willy Lorenz aufrichtig gedankt. 7) „Sch. hat sie (die Ehereformsache) bereits aufgegeben; er ist einer sol­chen Politik nicht gewachsen“. Ebendort. 8) 30. IX, —4. XII. 1930 im Amt. “) Willibald M. Plöchl, Zur Vorgeschichte des österreichischen Konkordates vom 5. VI. 1933, Religion, Wissenschaft, Kultur 9, 1958, S. 6. — Ders., Abschluß und Auflösung von Konkordaten. Die Rechtslage beim österreichischen Kon­kordat. Österr. Archiv f. Kirchenrecht 8, 1957, S. 15 f. I0) Die Christlichsozialen verloren 7 Mandate, während die Sozialdemokraten eines gewannen. n) Walter Goldinger, Der geschichtliche Ablauf der Ereignisse in Österreich von 1918 bis 1945, in der von H. Benedikt hrsgg. Geschichte der Republik Öster­reich, Wien 1955, S. 176. 12) Vgl. Hans Huebmer, Dr. Otto Ender, Dornbirn 1957, S. 135. 18) Seipel an Piffl, 8. XII. 1930, Orig., Wiener Diözesanarchiv. Die Kenntnis dieses Briefes verdanke ich Herrn cand. theol. Maximilian Liebmann, der die Kirchenpolitik Kardinal Piffls bearbeitet.

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