Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Seipel und die Konkordatsfrage. Ein Memorandum zur Note des Kardinalsstaatssekretärs Pacelli vom 17. März 1931

Seipel und die Konkordatsfrage 441 schon seit langem die Konkordatsfrage erörtert hatte, da sich Seipel in seinem für den Nuntius konzipierten Memorandum ausdrücklich auf ein­zelne Punkte der Note Pacellis bezieht2?). Er hat an ihm noch am 3. April 1931 gearbeitet* 28), am 4. April hat er es dem Nuntius persönlich über­geben 2B). Seipel äußert in seiner offensichtlich nicht nur für den Nuntius be­stimmten Information über die Möglichkeit und die Aussichten eines österreichischen Konkordates die entschiedene Meinung, daß das schwierig­ste in diesem Zusammenhang zu lösende Problem das Eherecht sei. Er schildert ausführlich die infolge der Dispensehen entstandene Situation und glaubt, daß das österreichische Parlament einem Konkordat zustimmen werde, das bezüglich des Eherechtes nichts enthalte außer der Verpflich­tung des Staates, jeder nach dem kirchlichen Recht geschlossenen Ehe die bürgerliche Wirksamkeit zuzuerkennen. Das Parlament werde aber nicht einem Konkordat zustimmen, nach dem Katholiken nicht eine Ehe schließen können, der der Staat die bürgerliche Gültigkeit zuerkennt, obwohl sie den Bestimmungen des kanonischen Rechtes nicht entspricht, also eine fakul­tative Zivilehe. Weiters erklärt Seipel mit deutlicher Anspielung auf Schober, daß einige Politiker, darunter auch Regierungsmitglieder, den Abschluß eines Konkordates für möglich hielten, das nichts über eine Zivilehe enthält, um nach der Ratifikation des Konkordates durch ein staatliches Durchfüh­rungsgesetz die fakultative Zivilehe ohne Protest des Heiligen Stuhles ein­führen zu können. Der Heilige Stuhl werde entscheiden, ob es unter diesen Umständen möglich und günstig sei, über ein Konkordat zu verhandeln, ohne zuerst die wahre Absicht der Regierung und auch des österreichischen Parlaments festzustellen. Bei allen anderen Materien — an ihrer Spitze der Schulfrage — gebe es seiner Ansicht nach jedoch keine unüberwindlichen Schwierigkeiten. Seipel behandelt daher die übrigen vom Kardinalstaats­sekretär angegebenen Punkte in summarischer Kürze, im Detail geht er nur mehr auf die nach seiner Meinung aus organisatorischen Gründen kaum mögliche Errichtung staatlicher katholischer Schulen und den Reli­gionsfonds ein. Anhang. I. 1931 März 17, Vatikanstadt. Kardinalstaatssekretär Pacelli teilt dem österreichischen Gesandten heim. Heiligen Stuhl Dr. Rudolf Kohlruss die Antwort des Vatikans auf den 2r) Siehe unten Anhang II. Seipel war am 18. März 1931 von einem fünf­wöchigen Erholungsurlaub in Davos zurückgekehrt. Bereits am folgenden Tag hatte er mit Kardinal Piffl und Weihbischof Kamprath, aber auch mit dem Nuntius Konkordatsbesprechungen (Rudolf Blüml, Ignaz Seipel, Mensch, Christ, Priester in seinem Tagebuch, Wien 1933, S. 231 f.), der ihm vermutlich bei dieser Gelegenheit die vatikanische Note überreichte. 28) Tagebucheintragung Seipels vom 3. IV. 1931: „An einem italienischen Promemoria über das Konkordat für den Nunzius gearbeitet.“ Freundliche Mit­teilung von Univ.-Prof. Dr. Klemens von Klemperer. 2B) Siehe Anhang II.

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