Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
MECHTLER, Paul: Erinnerungen des Dr. Karl Freiherrn von Banhans (1861–1942)
406 Paul Meditier handen waren und die Soldaten daher auch im Fußmarsch zurückkehrten, bestand die große Gefahr, daß zügellose Haufen nach Czernowitz gelangen könnten und hier zu plündern beginnen würden. Ich ließ daher die Pruth- brücken mit Gendarmen, die später durch ukrainische Legionäre abgelöst wurden, besetzen; verschiedene Versuche von Soldaten, die Brücken zu überschreiten, wurden in förmlichen Feuergefechten abgewehrt, und der Vorbeimarsch, der tagelang dauerte und so sehr gefürchtet wurde, ging für Czernowitz glücklich vorüber. Aus den ukrainischen Bezirken kamen jetzt schlimme Nachrichten. Die Bauern und ukrainischen Soldaten ent- waffneten überall die Gendarmerie, die keinen Widerstand entgegensetzte; bei manchen Großgrundbesitzern begannen die Bauern zu plündern. Die lokalen Radas verlangten die Übergabe der Verwaltung, was die Bezirkshauptmänner unter Hinweis auf meine Anträge ablehnten. In einem Bezirksorte wurde mit meiner Genehmigung ein Beirat eingesetzt, zwei mißliebige Amtsleiter ersetzte ich durch andere. Am Nachmittag wollten, wie mir bekannt war, der Obmann der ukr. Rada, Popovicz, und der Abgeordnete von Onciul zusammentreten, um eine Einigung hinsichtlich der Teilung des Landes zwischen beiden Nationen zu versuchen. Ich legte mir nunmehr ernstlich die Frage vor, ob, wann und wem ich die Regierungsgewalt zu übergeben habe. In erster Hinsicht war mein letzter Auftrag der, die Regierung fortzuführen. Wenn es mir auch nicht bekannt war, daß der Auflösungsprozeß im Westen damals schon sehr weit vorgeschritten war, konnte ich mich doch keinem Zweifel hingeben, daß nach den Vorgängen in Galizien und der wirtschaftlichen Situation im Lande die Möglichkeit der Fortführung der Verwaltung für mich nur nach Tagen bemessen sei, und zwar selbst dann, wenn nur die Herstellung der Ordnung gelingen sollte. Weisungen aus Wien hatte ich sobald nicht zu erhoffen; ich mußte daher die Frage der Übergabe bejahend beantworten. Hinsichtlich der zweiten Frage hatte ich, wie ich bestimmt wußte, die unbedingte Majorität des Landes für mich, wenn ich die Regierung möglichst lange fortführte. Dafür sprach auch, daß meine Machtmittel, so gering sie auch waren, immerhin noch die stärksten im Lande waren und daher die Bevölkerung am letzten zu schützen versprachen. Im dritten Punkte war ich mir darüber klar, daß ich nur Vertretern beider Nationalitäten übergeben dürfe. Im Interesse der Vermeidung eines Bürgerkrieges schien es mir gelegen, die Regierung nur solchen Vertretern beider Nationalitäten zu übergeben, welche sich vorher über die Teilung des Landes einigen würden. Zum Wohle des Landes wäre es das beste gewesen, wenn die Rumänen sich untereinander und mit den Ukrainern geeinigt hätten; dieser Fall war aber unwahrscheinlich. Alle diese Erwägungen führten mich zur Prüfung der Legitimation Onciuls. Onciul erklärte, der Delegierte des auf Grund des a. h. Mani