Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
MECHTLER, Paul: Erinnerungen des Dr. Karl Freiherrn von Banhans (1861–1942)
404 Paul Mechtler bewaffneten, der Polizei zu unterstellenden Korps an. Dem letzteren wies ich Beamte der Landesregierung, die Reserveoffiziere waren, sowie jene Offiziere zu, die teils in Czernowitz beschäftigungslos geworden, teils aus der Ukraine geflüchtet, sich bei mir als der höchsten staatlichen Autorität meldeten. Die Mannschaft sollte aus verläßlichen Soldaten durch die Polizeidirektion angeworben werden, die Bezahlung aus Staatsmitteln erfolgen. Von der Verhängung des Standrechtes sah ich ab, weil das Standrecht, wenn es Wirkung haben soll, auch durchgeführt werden muß, wozu mir aber die Mittel fehlten. Zu den Sorgen wegen Wiederherstellung der Ordnung kamen noch beinahe schwerere in wirtschaftlicher Beziehung. Die Eisenbahnverbindung über Lemberg war unterbrochen, ob eine solche über Stryj möglich sein würde, war unbekannt. Ab und zu langte ein Eisenbahnzug aus Stanislau ein; darüber hinaus war alles in Ungewißheit gehüllt. Jedenfalls konnte als feststehend gelten, daß Kohlentransporte nicht mehr einlangen werden, was geradezu katastrophal war, da die Kohlenvorräte der Bahn nur mehr für etwa zehn Tage hinreichten und in Czernowitz ohnedies große Not an Brennmaterial bestand. Ich ordnete an, daß der Bahnverkehr auf ein Minimum restringiert und daß tunlichst viel mit Holz geheizt werde. Auch war in Czernowitz nur mehr für zirka zehn Tage Rohöl für das Elektrizitätswerk und das Wasserwerk vorhanden. Tatsächlich nützte meine Intervention bei der Buk. ukr. Rada und Czernowitz wurde aus Galizien bis Ende Dezember mit Rohöl versorgt. In dieser wie in mancher anderen wirtschaftlichen Beziehung war ich auf das Entgegenkommen der Rada angewiesen, das sie mir, so lange ich die Regierung führte, stets bewies. Andererseits gab ich mich aber keinem Zweifel darüber hin, daß ich ohne Unterstützung der Rada die Regierung auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht lange würde fortführen können. Dazu kam noch die Geldfrage. Der Finanzdirektor hatte über meinen Auftrag noch im Oktober Beamte nach Lemberg entsendet, um dort — wie dies auch mit der Post geschah — 30 Millionen Kronen zu beheben. Die Ausfolgung der Gelder wurde aber mit der Angabe, es seien keine Barmittel vorhanden, verweigert. Nach den Zahlungen am 1. November verblieben in den Staatskassen etwa acht Millionen Kronen, ein sehr geringer Bestand, wenn man bedenkt, daß der Monatsbedarf der Bukowina zirka 40—50 Millionen betrug. Ich trat daher mit Czernowitzer Filialen der Wiener Banken wegen Emission von Kassenscheinen in Fühlung. Am 6. November gelangten diese Verhandlungen zum Abschluß und die Banken sagten zu, mir das reine Guthaben der Landesregierung per zii'ka acht Millionen in ihren Kassascheinen ausfolgen zu wollen. Allein auch mit diesem Betrage hätte ich, obwohl ich nur mehr die notwendigsten Zahlungen leistete, äußerstenfalls bis 1. Dezember das Auslangen finden können. Weniger Sorgen bereitete mir die Ernährungssituation. An manchen Artikeln hatte die Landesregierung größere Vorräte,