Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
ROEMHELD, Friedrich: Konstantin Reitz. Ein vergessener Vorkämpfer für abendländische Kultur in Afrika
312 Friedrich Roemheld sehnt hatte: ein Feld für weitausgreifende Tätigkeit, wie sie seinen Anlagen entsprach, selbständige Arbeit, Verantwortung und eine Aufgabe, für die es sich lohnte, alle Kräfte einzusetzen und auch Unannehmlichkeiten und Unbequemlichkeiten, ja Mangel und Not auf sich zu nehmen. Und Reitz ging um so eifriger an die Arbeit, als die Regierungen von Frankreich und England während der Zeit, die man in Wien infolge der Saumseligkeit des Barons von Müller untätig hatte verstreichen lassen müssen, ihre neugegründeten Konsulate in Khartum bereits besetzt hatten. Die Hauptaufgabe des österreichischen Konsuls bestand darin, die Handelsverbindungen mit den ägyptischen Nebenländern im Sudan zu erweitern und der österreichischen Gewerbetätigkeit einen vorteilhaften Absatzmarkt bis ins Innere von Zentralafrika zu eröffnen. Dem standen erhebliche Schwierigkeiten entgegen. Den Handel auf dem Weißen Fluß, der Straße, die in das zu erschließende Gebiet hineinführte, betrachtete der Generalgouverneur des Sudans als Vorrecht der Regierung, oder, was dasselbe bedeutete, als persönliches Sonderrecht. Zwar hatte der Vizekönig von Ägypten im Erlaß von Gülhane (s. o. S. 300) ausdrücklich in die Aufhebung der Monopole und die Beseitigung der Zölle auf dem Weißen Fluß gewilligt, und es bestand zwischen den europäischen Mächten und der Pforte ein Handelsabkommen, dem jener Erlaß Geltung zu verschaffen suchte, so daß den europäischen Staaten die Tür zu unbehindertem Handel vom Äquator bis zum Mittelländischen Meere hätte offenstehen müssen. Bislang aber hatten diese Bestimmungen nur auf dem Papier gestanden. Der Generalgouverneur des Sudans fühlte sich bei der weiten Entfernung seiner Länder vom Sitz der ägyptischen Regierung als unabgängiger Herr und dachte nicht daran, die Erlässe der Pforte und des Vizekönigs durchzuführen, wenn ihm, wie in diesem Falle, eine persönliche Schädigung daraus erwachsen konnte. So war für Reitz die Aufgabe klar vorgezeichnet: er mußte alles daransetzen, den bestehenden Verträgen Achtung und dem europäischen, insbesondere dem österreichischen Handel auf dem Nil die zugesicherte Freiheit auch wirklich zu verschaffen. Er mußte dem Generalgouverneur Latif-Pascha klarmachen, daß er kein Recht mehr habe, die Europäer vom Handel mit Innerafrika auszuschließen und sie am Verkehr flußaufwärts auf dem Weißen Nil oder auf den ins Innere führenden Straßen zu hindern. Zuvor aber war dafür zu sorgen, daß die Waren, die aus Innerafrika herangeschafft werden sollten, von Khartum aus flußabwärts ungehindert durch Nubien nach Ägypten gelangen konnten. So richtete denn Reitz sein Augenmerk zunächst auf die den Handel flußabwärts von Khartum erschwerenden Zölle, wie sie namentlich bei Don- gola auf die aus Äquatorialafrika, aus dem Sudan und aus Nubien kommenden Waren erhoben wurden. Wirklich gelang es ihm auch, den Generalgouverneur Latif-Pascha dahin zu bringen, daß er allen Provinzialgouverneuren den Befehl erteilte, die für Kairo bestimmten Waren, wie Elfenbein, Straußenfedern usw., unverzollt durchzulassen, so daß man nun damit