Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)

MISKOLCZY, Julius: Metternich und die ungarischen Stände

252 Julius Miskolczy Was in jener Zeit auf dem Gebiet der Nationalitätenpolitik geschah, können wir nur im Rahmen der allgemeinen politischen Entwicklung ver­stehen. Es ist gesagt worden, die Regierung hätte immer mehr Berufung und Kraft gezeigt, sich an die Spitze der notwendigen Reformen zu stellen. Hätte man dieses Prinzip auf die Nationalitätenpolitik angewandt, so wäre es an der Zeit gewesen, die sprachlichen und nationalen Wünsche der Stände zu befriedigen und sie sich nicht stückweise für Konzessionen auf anderem Gebiet abhandeln zu lassen. Damit beginnt eine neue Epoche in der Nationalitätenpolitik des Staats­kanzlers, die Politik der Wunscherfüllung. So können wir die Sprachen­gesetze von 1840 und 1844 begreifen. Ungarn ist wenigstens in der letzten Etappe seiner Entwicklung mit Hilfe der Regierung ein magyarischer Nationalstaat geworden. Vielleicht spielte dabei auch die dritte Ehe Metter­nichs mit einer ungarischen Aristokratin eine gewisse Rolle. Allerdings können wir die ganze Entwicklung ohne die kroatische Frage nicht verstehen. Letzten Endes war Metternich doch der erste Würden­träger einer großen Monarchie verschiedener Nationalitäten, und eben darum mußte er sich die Interessen dieser Monarchie und ihrer Völker vor Augen halten. Die kroatische Entwicklung interessierte ihn nur kurze Zeit, als es den Anschein hatte, als wäre die ungarische Bewegung durch die Kroaten aufzuhalten. Als sein Widerstand gegen die ungarische Sprache und Nationalität erlahmte, ging auch sein Interesse für die kroatischen Angelegenheiten verloren, obzwar die südslawische Idee einen Damm zu bilden versprach, sowohl gegen die ungarischen, als auch gegen die russi­schen Einflüsterungen bei den Südslawen. Sein Interesse erwachte erst, als die Berichte kaum Zweifel mehr zuließen, daß eine ernste Auseinander­setzung drohte. Gleichzeitig wurde auch gemeldet, daß die Interessen der Russen für die Südslawen erwacht seien. Nach mehreren Jahren der Vernachlässigung nahm jetzt Metternich die Frage in die Hände. Was dies bedeutete, kann man aus einem Votum des slavophilen Innenministers Kolowrat aus dem Jahre 1840 ahnen. In die­sem Votum empfahl Kolowrat die Ernennung eines Militärs zum Banus von Kroatien, weil unter gewissen Umständen doch der Banus an die Spitze der Slawen treten und das Gleichgewicht wieder hersteilen sollte. Es ist also eine Slavophile Regierungspolitik, die hier empfohlen wurde. Die Ver­hinderung dieser Politik dürfte das Werk Metternichs gewesen sein. Es wurde kein Militär zum Banus ernannt, sondern der Bischof von Agram zum Banusstellvertreter. Von der Regierung aus blieb die politische Kon­stellation, wie sie früher war. Eine Änderung ist, wie oben angedeutet, mit den Berichten über den drohenden Streit in Kroatien eingetreten. Metternich hieß zwar eine jede nationale Bewegung gut, wenn sie auf kultureller Ebene blieb, aber in dem ungarisch-kroatischen Streit ging es, wenigstens nach des Staatskanzlers Ansicht, um den Beginn der Trennung Kroatiens von Ungarn und um einen

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