Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
HRAZKY, Josef: Die Persönlichkeit der Infantin Isabella von Parma
Die Persönlichkeit der Infantin Isabella von Parma 179 sie an sich jenen Hang zur Schwermut, der mit den Jahren sich immer stärker ausprägen, und wenn sie sich unbeobachtet glaubt, jedem Beobachter an ihr auffallen wird. Schlicht sagt sie von sich, sie sei „ein wenig düster von Natur“, und gewöhnt sich an, als Waffe dagegen ihren Übermut zu gebrauchen, als Schild gegen indiskrete Einschau und in spitzbübischer Neckerei gegen kränkende Kritik. In dem „Portrait“, das ihr Marie Christine sendet5), wird ihr, recht ungeschickt, Eigenliebe als Quelle ihrer Todesgedanken vorgeworfen, sie wolle als Heldin erscheinen oder, die an ihr hängen, mit ihren finsteren Ahnungen quälen. Daß hier Beichtvater und Erzieherin sprechen, wird Isabella sogleich gemerkt haben, es war zu vermuten, daß die Kaiserin selbst in ihrer resoluten Art auf diesem Weg die Unvernunft ihrer Schwiegertochter zurechtbiegen wollte. Kaum zwanzig, Gattin des Erben der ältesten Krone, eines schönen, gesunden, gescheiten und wohlerzogenen jungen Mannes, eben erst am Beginn ihres Daseins, das gesichert, ohne Sorgen, dank den Bemühungen ihrer Schwiegereltern in strahlendem Glanz vor ihr lag, wie konnte sie sich da an der Gnade des lieben Gottes durch Todessehnsucht versündigen? Sie, für die das Leben nach allerdings etwas verdüsterter Jugend gerade voll der schönsten Verheißung anfing? Maria Theresia, die starke mütterliche Vollnatur, hatte die Fremde sofort in ihr Herz geschlossen und unter ihren Schutz genommen, aber das hieß nicht, daß sie ihr jede Verstiegenheit hingehen lassen wollte. Marie Christine, „Mimi“, war ihr Liebling und es tat ihr wohl, daß auch die Fremde für ihre Mimi gleich Feuer und Flamme war. Nur sollte freilich das anschmiegsame weiche Kind vor jedem lebensfeindlichen Einfluß gehütet werden. Es hatte eben auf seine erste junge Liebe, den Prinzen Ludwig Eugen von Württemberg, wregen des Einspruchs der Eltern verzichten müssen. Aber in ein Kloster sollte es darum doch nicht gehen, im Gegenteil, eine Ehe aus innerer Neigung schließen. Dazu kam der Kaiserin Isabella als Bundesgenossin gelegen, damit sie allmählich das Gemüt ihrer Tochter umstimme und sie von dem frivolen Blender Louis zu dem soliden bescheidenen Albert hinlenke. Erst mußte die Wunde geheilt werden, die ja, wie bei jeder gekränkten ersten Liebe, zu einem großen Teil verletztes jugendliches Selbstgefühl war. Im geheimen Bund mit der Kaiserin richtete Isabella die geknickte Mimi wieder auf. Dazu war die Rolle, die sie anfangs humoristisch und dann mit immer größerem Ernst spielte, wunderbar geeignet. Sie war der unglücklich verliebte Zerbin, der eifersüchtig seiner Laurette Szenen macht, erblaßt, wenn ihm seine Angebetete Untreue vorwirft, und die Stirne runzelt und die Augen rollt, wenn sie ihm den Bruder oder die Mutter vorzieht. Es ist ein drolliges Spiel und die Französin eine wundervolle Komödiantin. So ernst sie am Hofe wirkt, für ihre geliebte Mimi ist sie Schauspielerin; um sie zu erheitern, hat sie tausend entzückende Einfälle und lebt ihr ein übermütiges Backfischdasein vor. Das ist, so jung und vom Spaß 5) VI 36. 12*