Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 12. (1959)
HRAZKY, Josef: Die Persönlichkeit der Infantin Isabella von Parma
180 Josef Hrazky begeistert sie scheint, keineswegs leicht für sie. Sie ist sich ihrer Verantwortung bewußt und hält sich eisern in Zaum. Nie hat ihr ein Mann etwas bedeutet, nun ist sie selbst manchmal in Gefahr, sich zu vergessen, aber sie spielt ja und solange sie s p i e 11, ist alles unverfänglich. Der Komödie, den Launen der Verliebten mit ihren Schwüren, Tränen, Fußfällen, Umarmungen und Versöhnungen, die sich wie bei einem echten Liebespaar ewig wiederholen, sehen die beiden verantwortlichen Oberhofmeisterinnen, die Vasquez und die Erdödy, befremdet zu und halten die Kronprinzessin für reichlich verrückt. Sie selbst unterschreibt ihre „exercises de l’esprit", das erste ernste Liebesbekenntnis, als L’Ardhiduchessa Matta 6 7). Die Kaiserin, die alles wissen will, was ihre Kinder betrifft, wird darüber kaum eine neue Sorge geschöpft haben. Mochten sich die beiden in ihren Kindereien auch seltsam gebärden, wenn nur Mimi rasch ihren gefährlichen Galan vergaß und Lisabella, wie der Kronprinz seine junge Frau nannte, diesem bald einen Sohn schenkte. Der unendlich verehrten gütigen Mutter zuliebe wollte sie alles tun, was ihr möglich war. Mimi auf den rechten Weg zu führen, würde ihr, so fühlte sie, gelingen, aber Mutter zu werden, das ging wahrscheinlich über ihre Kraft. Wie konnte man so deutlich zeigen, daß man es von ihr erwartete? In diesem einen Punkt lehnt sie sich auf, auch gegen die Kaiserin. Sie wehrt sich dagegen, daß sie trauern soll, wenn das Ereignis ausbleibt, über das sie nicht bestimmen kann. In einem solchen Fall traurig zu sein, wäre Narretei. Und doch verlangt das ihre ganze Umgebung von ihr. Marie berichtet ihr den Wunsch der Kaiserin, der Isabella längst nichts mehr Neues ist'). Aber warum bemühen sich alle, ihr mitzuteilen, was sie quält? Sie verstehen eben nicht, daß sie unter der allgemeinen Erwartung leidet, nicht unter der Verzögerung. So wird ihr Schritt um Schritt bewußt, wie sehr sie anders ist als alle Frauen. In dem einen Punkt, in dem sich alle gleichen, erkannte sie ihre Abweichung von der Norm: das Glück der Mutterschaft bedeutete ihr nichts. Das änderte nichts an ihrer Pflicht, für den Fortbestand des Hauses zu sorgen, dem sie nun angehörte. Wie ähnlich war sie dem ihr angetrauten Gatten! Was an ihr Herz appellieren sollte, das mußte als unbe- zweifelbare Pflicht an sie herantreten. Seltsame Verkehrung der Natur bei ihnen beiden! Nur aus dem Imperativ einer Aufgabe begann sie zu lieben, erst ihre Schwägerin, dann, wäre ihr Zeit geblieben, ihr Kind und wohl auch zuletzt ihren Gatten. Schon fing sie an zu fühlen: „so starck als ich Dich liebe, so habe ich doch gestern empfunden, daß der Ertzherzog gehet vorhero“ 8). «) Aufsätze IV 31. 7) Billet X. 41: „je sgavois deja, que l’Imp. [ératriee] souhait(t)oit de me voir grosse, mais ce qu’on ne peut faire comme on veut, ne doit pas affliger, c’est folie, s’il ne reussit pas.“ 8) Billet VI. 20.