Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

472 Erika Weinzierl-Fischer Pflicht Bedeutendes leistete. Bei allen diesen Männern, die persönlich mehr oder minder religiös — doch sämtliche in der Aera des josephinistischen Staatskirchenturms herangewachsen waren, lag nun die Entscheidung über das künftige Schicksal der Kirche in Österreich. Welche Stellung jeder einzelne von ihnen ihr im Staate zubilligen wollte, beweist die Reaktion des Ministerrates auf die schon erwähnten Ausführungen Thuns am 15. Jänner 1850. Zunächst ergriffen Bach und Schwarzenberg, die beide den Anliegen der Bischöfe nicht von vornherein ablehnend gegenüberstanden, das Wort. Sie hielten die Sonderung der Anliegen der Bischöfe nach Kategorien für die Voraussetzung aller weiteren Verhandlungen. Diese Kategorien sollten jene Punkte enthalten, die „schon in den Grundrechten ihre volle Begrün­dung finden, die Angelegenheiten, welche den Gegenstand eines Concordats mit dem H. Stuhle bilden“, Wünsche, die schon jetzt anstandslos erfüllt werden könnten und jene Gegenstände, die nur im Wege der Gesetz­gebung erledigt werden könnten. Die auf diese Weise gesonderten Bitten der Bischöfe wären dann in einem Vortrage zu begutachten „und dar­über die a. h. Schlußfassung einzuholen“ 35). Finanzminister Krauß stellte daraufhin zur Erwägung, ob man beim derzeitigen Stand der Kirchenfrage „auch den wichtigen Umstand berück­sichtigt habe, daß Seine Majestät der Kaiser als Rex apostolicus über die ehemals ungarischen Kronländer in Folge besonderer päpstlicher Verlei­hung wichtige Rechte in ecclasiasticis besitzen“, die auch jetzt nicht auf­gegeben werde dürften „und gehörig evident gestellt werden“ müßten36). Nach den Ausführungen von Krauß wurde die Sitzung abgebrochen, da die Zeit schon zu sehr vorgeschritten war, doch wurde die Beratung über die Eingaben der Bischöfe bereits am nächsten Tag fortgesetzt. Dem Beschluß des Ministerrats vom Vortag entsprechend, gab Thun eine Übersicht über die in Kategorien eingeteilten bischöflichen Wün­sche37). Sodann wurden von den Ministem jene erörtert, die nach der Meinung Thuns „schon gegenwärtig durch Beseitigung der entgegen­stehenden beschränkenden Vorschriften nach dem Wunsche der versam­melten Bischöfe abgethan werden könnten“. Dazu rechnete Thun in erster Linie „den freien Verkehr der Bischöfe und Gläubigen mit dem Papst in geistlichen Dingen“. Thun zitierte die Bitten der Bischöfe nach einer von diesen für den Amtsgebrauch herausgegebenen Broschüre38), die dem Ministerrat zur Verfügung stand. Nachdem der Kultusminister den Wort­laut der einschlägigen Stellen 39) aus dieser Broschüre vorgelesen hatte, 35) M. R. Prot, vom 15. I. 1850 und Husarek, a. a. 0„ S. 510, Anm. 125. 3e) Ebendort und Hussarek, a. a. 0., S. 519, Anm. 143. 37) M. R. Prot, vom 16. I. 1850. 38) „Aktenstücke die bischöfliche Versammlung zu Wien betreffend“, Wien 1849. 39) Ebendort S. 52.

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