Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 11. (1958)

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. und 23. April 1850

Der Ministerrat und die kaiserlichen Verordnungen vom 18. u. 23. April 1850 473 brachte er seine Überzeugung zum Ausdruck, „daß bey der gegenwärtig beabsichtigten Gestaltung der kirchlichen Verhältnisse aus den die Bezie­hungen der Kirche zum Staate festsetzenden Bestimmungen alles dasjenige ausgeschieden werden müsse, was der freyen Entwicklung des kirchlichen Lebens hinderlich, ohne Nutzen für Kirche und Staat und sowohl nach den heutigen Begriffen über die Freyheit in Glaubenssachen als nach den dem Staate zu Gebothe stehenden Mitteln nicht mehr haltbar ist“. Er beantrage daher, die Gesetze über das Placetum regium aufzuheben, die Bischöfe auf­zufordern, die Regierung „von ihrer zugleich das forum externum berüh­renden Correspondenz mit Rom“ in Kenntnis zu setzen und es ihnen zu überlassen, die Genehmigung der Regierung in solchen Angelegenheiten einzuholen, in denen sie der Zustimmung der staatlichen Stellen „im voraus versichert seyn wollen“. Nach diesem Antrag Thuns ergriff Finanzminister Krauß, das an Lebensjahren älteste Kabinettsmitglied, das Wort. Er bestritt als erstes energisch „die Voraussetzung der Bischöfe, als ob durch den § 2 der Grundrechte an der bisherigen Kirchenverfassung etwas geändert worden sey“. Dies sei keineswegs der Fall, da der § 2 nur besage, daß der Staat „auf die Angelegenheiten einer gesetzlich anerkannten Kirche keinen andern Einfluß zu nehmen habe, der nicht schon in ihrer Einrichtung gelegen ist“. Das gelte ebenso für die katholische wie für die protestan­tische Kirche. Dann kam Krauß neuerlich auf die Sonderstellung der Kirche in Ungarn und die Vorrechte zu sprechen, die der Kaiser dort als rex apostolieus in publico-ecclesiasticis innehabe40). Die österreichische Kirchenverfassung sei zum Teil aus Verträgen zwischen „weltlichen und kirchlichen Oberhäuptern“ und zum Teil aus dem „alten Herkommen“ entstanden. Wenn man nun „Rechte des Landesfürsten, die er bisher quoad sacra geübt, und die, wie das Placet bezüglich der Correspondenz nach und von Rom von Maria Theresia, einer der frömmsten der österreichischen Herrscher, gehandhabt worden“, aufgeben wolle, so sei es seiner Meinung nach doch unbedingt notwendig, vorher genau festzustellen, ob die bisher von den Landesfürsten ausgeübten Rechte in der Kirchenverfassung be­gründet seien oder nicht. Erst wenn eine vollständige Darstellung der ganzen Kirchenverfassung vorliege, könne man zur Ausscheidung einzelner bisher geltender Bestimmung schreiten, die nach der Kirchenverfassung nicht zu Recht bestehen. 40) Die von Krauß hinsichtlich der Sonderstellung der Kirche in Ungarn geäußerten Bedenken dürften Bischof Rauscher bald bekannt geworden sein und ihn zur Abfassung zweier Denkschriften vom 27. Jänner und 5. Februar über die „Gleichstellung der kirchlichen Verhältnisse in Ungarn und den übrigen Kronländern“ und „Über die Rechte der Könige von Ungarn in Betreff des Kirchenvermögens“ veranlaßt haben. Diese Denkschriften wurden dem Minister­präsidenten Schwarzenberg überreicht und sollten die Anwendbarkeit der bi­schöflichen Eingaben auf die ganze Monarchie nachweisen. Hussarek, a. a. O., S. 519 f.

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