Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Rezensionen 535 durch den amerikanischen Freiheitskampf und die Revolutions- und napo- leonischen Kriege. In ganz anderer Art, von der finanziellen Seite her, ebenfalls Geist und Kultur des spätbarocken Österreich beleuchtend, schildert Hanns Leo Mikoletzky in seiner quellenmäßigen Studie nicht nur das Unikum der „Fräuleinsteuer“, sondern den „Haushalt Maria Theresias während ihrer letzten Regierungsjahre“ (wie der Untertitel lautet). Mit Hilfe rei­chen Archivmaterials des Wiener Hofkammerarchivs und auch des Haus-, Hof- und Staatsarchivs und an Hand zahlreicher Beispiele entsteht ein buntes und zugleich klares Bild der ungeheueren Probleme einer Finanz­politik der Herrscher, die nach außen hin Staat zu machen sich verpflichtet fühlten, — um der Größe ihrer Stellung willen, — während die Kassen fast leer waren. So wird der Internuntius an der Pforte, Hofkriegsrat Freiherr von Penckler, 1762 mittels sieben Schiffen von Wien nach Sémiin gelei­tet, — um nur eines der Beispiele zu nennen. Und doch waren in jenen Krie­gen die Finanzen derart angespannt, daß zeitweise sogar die Gehälter nicht bar ausgezahlt werden konnten. In dieser Zeit wurde auch wieder auf die „Fräuleinsteuer“, die Abgabe der Untertanen der Cameralherrschaft Schwarzenberg im Breisgau anläßlich der Heirat einer Tochter des Herr­schaftsinhabers, zurückgegriffen. An dieser finanziellen Lage scheiterte auch der dritte Vorschlag zur Gründung einer Akademie der Wissenschaf­ten in Wien, der nach Leibniz und Gottsched 1767 wieder von einem Ano­nymus vorgebracht worden war, aber alsbald „in das fach der so häufig vor­gekommenen unstatthaften projecten“ gelegt wurde (S. 57). Sämtliche weitere Beiträge gelten der Geschichte des franzisco-josephi- nischen Österreich. Hans Kramer bringt eine Beschreibung der Reisen Kaiser Franz Josefs I. nach Tirol (mit besonderer Berücksichtigung der Besuche in Trient), wobei er sich einerseits auf die Akten des Innsbrucker Landes­regierungsarchivs, andererseits auf die zeitgenössische Presse und literari­sche Nachrichten stützt. Äußerlich ähnlich verlaufend, unterschieden sich die beiden Reisen nach Trient, 1871 und 1894, doch darin, daß man bei der zweiten viel weniger der Gesinnung der Welschtiroler trauen zu können glaubte und wesentlich mehr Sicherheitsmaßnahmen traf, wobei selbst die italienische Regierung durch Lieferung von Listen gefährlicher Irredenti­sten behilflich war. Hatte man im Jahre 1871 eine Denkschrift entgegen­genommen, die vom Kaiser die volle Autonomie erbat, und hatten sich die Nationalliberalen vergebliche Hoffnungen darauf gemacht, was nicht zur Gesinnung der Treue beitrug, so war man 1894 glücklich, daß sich kein Zwischenfall ereignete. Die Bemühung, die Vielfalt der Nationen geistig fester an die Krone zu binden, lag ebenso den Kaiserreisen zugrunde, wie auch jenem Monumental­bau, dem Willibald M. Plöchl seine Untersuchung widmet: der Wiener Votivkirche, deren rechtliche Stellung als Propsteikirche infolge eines eigenen päpstlichen Privilegs sie in besonderer Weise heraushob. Bekanntlich gebaut zum Gedächtnis der Errettung des Kaisers vor dem Attentat des Anarchisten Libényi, 1853, angeregt durch den Bruder des Kaisers, Erzherzog Max, sollte die Votivkirche ein religiöses Denkmal der

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