Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 10. (1957)

NECK, Rudolf: Österreich und die Osmanen. Stand und Probleme der historischen Forschung

Literaturberichte 536 Einheit der Donaumonarchie werden und gleichzeitig, inmitten eines ge­planten Universitätsviertels liegend, dessen eigene Kirche werden. Diese doppelte Stellung ist jedoch dem Gotteshaus de facto niemals zugekommen, während sie, meist zu militärischen religiösen Veranstaltungen verwendet, des regelmäßigen Seelsorgebetriebes entbehrte, — bis zu jener Zeit, da ein schweres Schicksal sie traf. Sehr persönliche Erinnerungen verbinden den Autor mit jenem allmählichen Wachsen einer Pfarrgemeinde aus einer kleinen Gruppe von Getreuen, die sich im Winter 1944—45 in der schwer bombengeschädigten Kirche zum Gottesdienste einfand. Nun ist die Votiv­kirche Zentrum einer Großstadtpfarre geworden. Das Mißlingen des Planes, ein kirchliches Monument der Einheit der Monarchie und ein religiöses Zentrum innerhalb des akademischen Berei­ches zu schaffen, ist ein Symptom, das bereits hinweist auf jene Gescheh­nisse, von denetn der äußerst aufschlußreiche Artikel von Friedrich Engel-J anosi, Zwei Aspekte der Beziehungen zwischen Österreich- Ungarn und dem Vatikan im Jahre 1870, berichtet. „Die Tage der zweiten Julihälfte 1870 gehören sicherlich zu den schwersten, die die Geschichte der österreichischen Monarchie kennt ... Einmal noch, und wohl zum letzten Male, schien das Schicksal die Hand zu bieten, um 1866 ungeschehen zu machen“. (S. 123). Der österreichische Kanzler Beust war entschlossen, die Gelegenheit des bevorstehenden Krieges zwischen Preußen und Frankreich auszunützen, um Österreich die verlorene Vorherrschaft in Deutschland zurückzugewin­nen. Dazu war das Bündnis mit Italien notwendig. Italien aber verlangte dafür diplomatische Hilfe zur Besitznahme Roms und Beust war dazu bereit: „Niemals werden wir die Italiener wirklich auf unserer Seite haben, wenn wir nicht den römischen Dorn aus ihrem Fleisch ziehen“, waren seine Worte. (S. 122). Und so geschieht der beschämende Akt, daß der Kanzler des Kaisers, der sich als Beschützer des heiligen Stuhles fühlte, Frankreich bedrängt, seine Truppen aus der heiligen Stadt abzuziehen, damit die ita­lienischen dort eindringen könnten. Zwar nicht aus betont protestanti­schem Affekt, von dem, wie der Autor feststellt, in den Akten keine Spur zu merken ist, wohl aber aus dem Mangel jeder Bindung an die Kirche und aus einem völlig säkularisierten staatsutilitaristischen Denken heraus ist diese Handlung zu erklären. Wie Beust’s Politik bereit war, das Patrimonium Petri Italien zu opfern, so drängte sie gleichzeitig im Innern auf Opferung des Konkordates an die Liberalen, wozu das eben verkündete Dogma eine Handhabe bot. Welche Motive den Kaiser bewogen, dieser Handlungsweise, die seiner bisherigen Richtung durchaus widersprach, zuzustimmen, versucht der Autor im ein­zelnen darzulegen, und schließt mit der eindrucksvollen Schilderung der Reaktion, die jene Politik auf Papst Pius IX. hatte, soweit sie vom öster­reichischen Botschafter Grafen Trauttmansdorff berichtet wird. Außerordentlich wertvoll sind ferner die van Albert E. J. H ollaen- d e r gebrachten „Streiflichter auf die Kronprinzen-Tragödie von Mayer­ling“. Es war ihm gelungen, einige sehr bedeutsame Dokumente ausfindig zu machen, von denen unter drei Berichten des deutschen Botschafters Prin­zen Heinrich von Reuß vom 5., 7. und 9. Februar 1889, — die Bibi ent­

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