Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)
KRAMER, Hans: Fürstbischof Dr. Cölestin Endrici von Trient während des ersten Weltkrieges. Nach neu gefundenen Akten
Fürstbischof Dr. Cölestin Endrici von Trient 527 Generalvikar Dr. Kögl schreibt auf S. 98, Anm. 3 auch über meine Skizze über Endrici in der Jax-Festschrift (vgl. oben, Anm. 1). Er sagt darin, daß meine Darstellung der Regierung Endricis nach 1918 „sehr lückenhaft“ sei. Ich hatte aber den Auftrag, in der Abfassung des Beitrages für die Jax-Festschrift zehn Druckseiten ja nicht zu überschreiten, und so mußte das Ganze skizzenhaft bleiben. Eine ausführliche Darstellung der Regierungstätigkeit Endricis nach 1918 (bis 1940) war weder in jener Skizze möglich noch war sie in der vorliegenden Abhandlung geplant, die ja nur das Schicksal Endricis während des ersten Weltkrieges schildern soll. Ich gebe zu, daß Endrici immer die Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche angestrebt hat, was Kögl sehr betont. Hingegen wird man nach meiner Meinung wohl nie ernstlich behaupten können, daß Endrici nicht ein ausgesprochener italienischer Nationalist gewesen ist. Ich habe wenigstens den Eindruck, daß Endrici im Streben nach der Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche, die angeblich oder wirklich bedroht war, in den Jahren vor 1914 und 1914 bis 1918 das größere Ausmaß von Hartnäckigkeit und Stoßkraft aufgebracht hat als nach 1918. Allerdings war das österreichische Regime vor 1914 sicher milder und nachgiebiger als das Regime des Faschismus nach 1922, vor dem sich selbst der alte italienisch-nationale „Märtyrer“ Endrici hüten mußte. Kögl schreibt S. 97—104 ein Kapitel „Zur angeblichen Entnationalisierung durch die Trienter Diözesanverwaltung, Daten aus dem Episkopat Endricis“, worin er die Verteidigung der Freiheit der Kirche, auch eine fallweise Verteidigung deutscher Welt- und Ordenspriester in der Diözese Trient durch Endrici nach 1922 möglichst hervorhebt. Ich gebe gerne zu, daß noch unter Endrici manches in dieser Beziehung geschehen ist (vgl. auch Fr. Dörrer, a. a. 0., S. 72). Die anscheinend von der Leitung der Diözese Trient nicht gehemmte Unterwanderung des deutschen Anteils der Diözese Trient relativ weniger mit italienischen Weltgeistlichen, dafür aber umso mehr mit italienischen Mönchen und Nonnen, die sich mehrende Errichtung von italienischen Klöstern und Klosterschulen und die nicht unbeträchtliche Auflassung von deutschen Ordensniederlassungen in diesem deutschen Anteil der Trienter Diözese ist eine nicht abzuleugnende Tatsache (nach 1922, besonders nach 1945). Sie geht wohl über die Bedürfnisse der Italiener, die ab 1919 im deutschen Diözesananteil eingewandert sind, weit hinaus. Sie ist sehr bedauerlich. Es gehört die eingewurzelte katholische Religiosität der Deutschen im deutschen Diözesananteil dazu, um das noch ohne Schaden für den Glauben ruhig hinzunehmen. Besonders krasse Beispiele sind die Klöster der italienischen Karmeliter und der italienischen sogenannten „Marcelline“ in Gries bei Bozen. Die Diözesanleitung von Trient hat, wie gesagt, anscheinend nichts dagegen getan. Ich weiß nicht, ob Endrici so etwas in einem solchen Ausmaß geduldet hätte, wenn er länger gelebt hätte. Vielleicht hätte er die Nachteile von so etwas erkannt. Im neuen demokratischen Italien hätte er auch wieder mehr Freiheiten gehabt. Über die Niederlassung von italienischem Klerus im deutschen Diözesananteil schreibt Fridolin Dörrer a. a. O., S. 71.