Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9. (1956)
MARX, Julius: Die amtlichen Verbotslisten. Zur Geschichte der vormärzlichen Zensur in Österreich
184 Julius Marx Fällen ein theologischer Fachzensor eingriff, der möglicherweise an anderen Dingen Anstoß nahm. Als Beispiele seien angeführt: „Erzbruderschaft des heiligsten und unbefleckten Herzens Mariä zur Bekehrung der Sünder“, Einsiedeln 1841 (41 XII/2, 290) und S. Buchfeiner, „Die Wundmahle Jesu an den zwei noch lebenden Jungfrauen Dominica Lazari und Maria von Mörl München 1839 (39 VIII/a, 391). Dieses Verbot einer aus dein katholischen Bayern stammenden Schrift dürfte doch die voranstehende Meinung bekräftigen95). Unter damnatur finden sich die immer wieder aufgelegten Hausbücher des Kapuzinerpaters Martin von Kochern, der sich in den Rheingegenden als Volksprediger einst ebensolcher Beliebtheit erfreut hatte wie sein jüngerer Zeitgenosse Abraham a Sancta Clara in Wien 96 * 98). Abschließend stellen wir fest, daß in den im Haus-, Hof- und Staatsund Universitätsarchiv vorhandenen Listen fast 5000 Verbote (damnatur) auf Bücher, Zeitschriften und sonstige Druckwerke festgehalten sind. Eine genaue Angabe über die Zahl der verbotenen Werke bedürfte einer langen Vorarbeit. Es ist nicht dasselbe, wenn ein Buch, das nur einmal aufgelegt wurde, dem damnatur verfällt oder von einer mehrbändigen Ausgabe jeder einzelne Band, wenn jede Lieferung mit Verbot belegt oder wenn eine Schrift in mehreren Auflagen oder verschiedenen Ausgaben jedesmal nicht erlaubt wurde, dort also e i n Werk eben nur e i n, hier aber eines mehrere Verbote erlebte. Noch schwieriger ist es bei den Zeitschriften. Hier konnten einzelne Nummern untersagt werden, das sind dann ebensoviele Verbote, es konnte aber mit einem Verbot eine Zeitschrift dauernd ausgeschaltet werden; da müßten also so viele damnatur sein, als die Zeitschrift Nummern hat. Und soll schließlich das Verbot einer Zeitschriftnummer der Untersagung eines Druckwerkes gleichgesetzt werden? Man müßte beide sondern, was für die Zeit, in der sie in den Listen ungetrennt geführt werden, noch die Schwierigkeit bringt, sie auch herauszufinden. Bei der angeführten Zahl kommen wir auf ein Verbot täglich, also auf eine an sich recht beträchtliche Zahl. Ein Vergleich mit den Listen der erlaubten Werke könnte das Urteil erleichtern, doch sind von diesen Verzeichnissen nur ein paar auffindbar; sie wurden offenbar skartiert, wes95) „... im südlichen Tirol mit kurzer Lebensgeschichte derselben und einem Vorworte über die stellvertretende Genugthuung Christi; auch ein Christenlehrgeschenk für Feiertagsschüler.“ lautet der volle Titel der Schrift, deren „4. sehr vermehrte Auflage“, München 1843 (44 H/2, 199) wir wieder finden. Es gab übrigens noch eine dritte Jungfrau, Crescentia Nierklutsch aus Tschermes. — V. Bibi, Die Wiener Polizei, Wien 1927, S. 305 f. — 98) Martin v. K., geh. am 13. 12. 1634 in Cochem an der Mosel, gest. 10. 9. 1712 in Waghäusel bei Bruchsal. — Blumauer und Grillparzer haben seine Gestalt für Parodien benützt: Grillparzer-Jahrbuch, VII., Wien 1897; S. 64 ff. (A. Sauer). — W i e s n e r, a. a. O., S. 358 f. — Unter Josef II. wurden einzelne seiner Werke sogar vertilgt; Dr. H. G n a u, Die Zensur unter Josef II., Straßburg-Leipzig 1911, S. 139. —