Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 8. (1955)

WINTER, Otto Friedrich: Die „Obere Registratur“ des Reichshofrates 1938–1954

Österreich 309 Zentralarchiv einverleiben zu lassen; erst in den Jahren 1815/16 wurde auf Grund des Friedensvertrages die Rückführung nach Wien vorge- nommen. Wenn auch die „Obere Registratur“ das Schicksal der übrigen Bestände teilte, sind doch an ihr kaum Spuren des zweimaligen langen Transports und der unsachgemäßen Behandlung festzustellen, die man anderswo in den Akten selbst oder an Hand der in den Repertorien ein­getragenen Vermerke noch deutlich verfolgen kann. Nach einer kurz­fristigen Unterbringung in den feuchten Kellern der Hofbibliothek wurde den Reichsarchiven 1817 ein Teil des Laurenzergebäudes zugewiesen, das an Stelle des von Josef II. aufgehobenen Frauenklosters St. Laurenz errichtet worden war. Hier erreichte die „Obere Registratur“ durch die unter Eintragung in das schon bestehende, 17 Bände umfassende Hauptrepertorium5) er­folgte Einordnung der laufenden Prozesse der letzten Jahre (etwa 1795 bis 1806) ihren größten Umfang. Zwischen 1830 und 1860, besonders nach der 1835/36 ausgesprochenen Auflösung der reichshofrätlichen Hofkommission, wurden von zahlreichen Mitgliedern des Deutschen Bundes Anforderungen auf Auslieferung der sie betreffenden Teile der Reichshofratsregistraturen vorgebracht, denen man in erheblichem Um­fange nachkami Die Auslieferungen an Bayern, Braunschweig, Hessen, die Hansestädte, oder die Ausscheidung der „Badischen Akten“, die nach Unterbleiben der Übergabe an Baden als Sonderbestand innerhalb der Reichshofratsakten aufgestellt wurden, haben sich auch auf die „Obere Registratur“ stark ausgewirkt6). Mit den anderen Reichshofratsbeständen ging die „Obere Registra­tur“ 1849 unter Belassung im Laurenzergebäude in die Verwaltung des Haus-, Hof- und Staatsarchivs über, mit ihnen übersiedelte sie 1872 in das alte Ballhaus, 1886 aus diesem „höchst ungeeigneten Gebäude“ in den gegen den Josefsplatz gelegenen Teil der Hofburg, 1895 in Teile des 2. und 3. Stockwerks des Michaelertraktes der Burg und 1902 in das neu errichtete Gebäude des Haus-, Hof- und Staatsarchivs am Minoriten- platz7). Vorher führte in den Jahren 1901/2 Bittner als junger Be­amter eine Neufaszikulierung der gesamten Judizialakten durch Teilung der übergroßen Faszikel durch. Diese Neufaszikulierung wies mehrere Nachteile auf, die damals allerdings nicht in ganzem Umfange erkannt werden konnten: Als Abschluß der neu gebildeten Faszikel — mit Aus­nahme der vorderen und rückwärtigen Begrenzung der alten Rubra 5) Archivbehelf Nr. 48, der auch heute noch gültige Fundbehelf. 6) Die Extradierungen sind durch Streichungen im AB. 48 oder durch Zusatz des Vermerks „Extradiert“ in den meisten Fällen kenntlich gemacht, in anderen wieder, wie konsequent bei den Hansestädten, ist eine Kennzeichnung unter­blieben, manchmal, z. B. bei Hessen, ist trotz des Extradierungsvermerks ein Teil des Prozesses, namentlich die Relation, noch vorhanden. So war es bei den Ordnungsarbeiten 1952/54 häufig nicht möglich, zu entscheiden, ob Akten infolge Verlustes 1945 oder früherer Extradierungen fehlten. Eine endgültige Klärung wird hier eine einmal vorzunehmende Kollationierung des AB. 48 mit dem AB. 56, der ein alphabetisches Verzeichnis sämtlicher ausgegliederter Reichshofrats­akten enthält, bringen. 7) Ausführlich geschildert bei Gross, a. a. O., S. 278 ff.

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