Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.
496 Erika Weinzierl-Fischer konvoi, um eine Verschleppung des Getreides zu verhindern 124). Aber auch jetzt traten neue, unerwartete Schwierigkeiten auf: Hochwasser schwemmte „2 Joch der großen Donaubrücke auf dem Tabor“ weg und nach kurzer Unterbrechung der Transporte setzte man ab 13. Juni die täglichen 100 Fuhren mit Plätten über die Donau 125). Der Kaiser befahl sofort den Bau einer Pontonbrücke bei Nußdorf und stellte für die weitere Überfuhr die kaiserlichen Jagdplätten zur Verfügung126). Da nun der Mehlnachschub im großen und ganzen gesichert war, gestattete der Präsident des Hofkriegsrates Lacy endlich dem Prager Militär- verpflegskommando, 14 Tage lang Kommißbrot an die Prager ausgeben zu dürfen127). Es wurden daher vom 6. bis 20. Juni 3 Pfund 24 Lot schwere Kommißbrote zum Preis von 10 Kreuzern an die Prager Bevölkerung abgegeben, bei der das billige 128 *) und gute Brot einen so reißenden Absatz fand, daß die täglich aus 350 Centnern Mehl gebackenen 16.000 Laibe Brot restlos verkauft wurden120). Auch private Hilfe setzte ein, die in gleicher Weise den eigenen Interessen wie jenen der Allgemeinheit diente130). Da aber der Getreide- und Mehlbedarf der Stadt Prag besonders groß 131) und noch immer nicht hin124) Auf Grund einer Anzeige der Gutmannschen Kompagnie, daß die „in Hungarn abgeschickte böhmische Fuhrleute, anstatt mit ihrer Ladung auf Stockerau zu fahren, von Preßburg, Wieselburg und Fischamend aus, Seitenwege nemmen, und das Getraid auf die Dominien ihren Obrigkeiten abführen, wodurch somit die ganze Absicht der vorhabenden schleunigen Hilfe für Prag vereitlet wird“. 1771 V 30, ebendort, n. 37. 125) 1771 VI 12, ebendort, Juni, n. 22 und 25. !26) 1771 VI 15, Handbillett Josephs an Kollowrat. Ebendort, n. 35. 127) 1771 V 25, ebendort, Mai n. 34. 128) Bei den Zivilbäckern kostete ein ebenso schweres Brot 18 kr. 3 Pf. — Dagegen kostete in Wien im Herbst 1771 ein 3 Pfund schweres Brot nur 6 kr. StR.Prot. 1771/IV/3534. 12°) 1771 VI 18 und 20, Protokoll der a.o. Kommission. Kommission Fasz. 3, Juli, n. 28. 13°) So suchte z. B. der Prager Jude Herzl Khun um die Bewilligung an, 210 Metzen Mehl, die er auf eigene Kosten gekauft hatte, mautfrei nach Prag führen zu dürfen. Von dieser Menge wollte er 100 Metzen dem Altstädter Stadthauptmann zur Verteilung an arme Christen überlassen, 100 Metzen waren für arme Juden und 10 Metzen für seine eigene Familie bestimmt. 1771 V 30. Ebendort, Fasz. 2, Mai, n. 36. 131) Graf Clary hatte 70.000 Metzen für 3 Monate angegeben. Wien brauchte dagegen monatlich nur 16.000 Metzen Roggen bzw. 12.000 Centner Roggenmehl (1771 X 16, StR.Prot. 1771/IV/3534). — Der Kaiser hatte sogar angeordnet, daß jede Person über 15 Jahre täglich 2 Pfund Brot, jede unter 15 Jahren 1 Pfund erhalten sollte. Darnach hätte man vom 20. VI.—31.VIII. allein für die Armen und Bürger täglich 12.629 Kommißbrote bzw. für diesen Zeitraum 21.700 Centner Mehl oder 32.550 Metzen Roggen benötigt. Die Honoratioren, die Geistlichkeit und der Bedarf an Kochmehl waren dabei nicht einkalkuliert. Im ganzen hätte man daher ca. 39.060 Metzen Roggen benötigt. 1771 VI 18 und 20, Protokoll der a.o. Kommission, Kommission Fasz. 3, Juli, n. 28.