Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

WEINZIERL-FISCHER, Erika: Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770–1772 durch Maria Theresia und Joseph II.

Die Bekämpfung der Hungersnot in Böhmen 1770—1772 497 reichend gedeckt war132), schloß die Hofkommission mit der Gutmanm- schen Kompagnie einen Kontrakt über die Lieferung von weiteren 50.000 Metzen Roggen ä 2 fl. 30 kr.133), versuchte den Transport aus Ungarn zu beschleunigen 134 *) und erklärte, daß in Böhmen Honoratioren und Geist­lichkeit für sich selbst zu sorgen hätten133). Die Mißstände in der Verwaltung Böhmens und besonders in Prag bewogen nun die Kaiserin zur Ablösung136) des Obersten Burggrafen Philipp Kollowrat durch Karl Egon Fürst zu Fürstenberg137). Maria Theresia hatte sich bei dieser heiklen Angelegenheit der Vermittlung ihres Vizekanzlers, des Sohnes des Burggrafen, bedient, dem sie nach dem Ein­treffen des Rücktrittsgesuches seines Vaters in Wien ihren besonderen Dank aussprach 138). Zur gleichen Zeit wurde in Wien der Oberste Kanzlei- Graf Chotek durch den Hofkammerpräsidenten Hatzfeld139) ersetzt140). Durch diesen Wechsel in der Verwaltung war aber die Not noch nicht behoben und nach wie vor trafen äußerst beunruhigende Nachrichten aus Böhmen und Mähren in der Residenzstadt ein. So hatte z. B. der Kaiser erfahren, daß auf den Gütern des Grafen Schaffgotsch bei Trautenau schon einige Menschen verhungert waren und die Kinder frisches Gras aßen141). Die Untertanen des Amtes Sbirow im Kreis Beraun nährten sich von Kräutern und dem Fleisch krepierter Pferde und Schafe. Sie ver­kauften ihre Kleider und sonstige bewegliche Habe für die Hälfte ihres Wertes, um sich nur ein Seidel Kleienmehl kaufen zu können142). Auf dem Gut Logowitz im Kreis Kaurim erkrankten 40 Personen nach dem Genuß 132) Bis zum 20. Juni waren durch Gutmann und Hollmer 6956 Metzen Roggen und Weizen nach Prag geschafft worden. 183) 1771 vi 22, ebendort, Fasz. 2, Juni, n. 54. 134) Zur Verbesserung des Schiffstransportes aus Ungarn setzte die Kaiserin eine eigene Wassertransportkommission unter dem Locumtenentialrat Baron Franz Balassa ein (StR.Prot. 1771/III/2075). Da sich Balassa jedoch nicht sehr be­währte, wurde seine Kommission später der Haupt-Transportkommission unter der Leitung des Grafen Johann Balassa einverleibt. 1771 XII 14, Prot, der a.o. Kommission. Kommission Fasz. 6, Jänner, n. 147. 133) 1771 VI 28, ebendort, Fasz. 3, Juli, n. 28. 13°) Arneth, a. a. O., S. 42 f. 137) (1729—1786). Vgl. Wurzbach, a. a. O., 5, 1858, S. 21 f. 138) „Dise Arbeit ist sehr wohl und geschwind ausgefallen wie gewöhnlich seine arbeiten: so vili mehr ihme verbunden indeme es ihme so hart gefallen in disen zu arbeiten.1' Resolution zum Vortrag Kollowrats vom 2. VI. 1771. Nachlaß Kollowrat, Nr. 290—294. 13°) Karl Friedrich Graf Hatzfeld (1718—1793). Vgl. Allgemeine Deutsche Biographie 11, 1880, S. 31 ff. 14°) Arneth, a. a. O., S. 42, Friedrich Walter, Die österreichische Zentral­verwaltung II/3, (Veröffent. d. Komm. f. neuere Gesch. Österrreichs 29), Wien 1934, S. 290; II/l (ebendort 32), Wien 1938, S. 437. 141) 1771 V 5, Kommission Fasz. 2, Juni, n. 24. !42) 1771 VI 21, ebendort, n. 48. Mitteilungen, Band 7 32

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