Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

STRASSMAYR, Eduard: Das Archiv der Stadt Enns

450 Eduard Straßmayr Im Laufe des 20. Jahrhunderts sind der Stadtgemeinde und dem Museum Enns wiederholt Urkunden und Akten von Antiquaren in Berlin, Dresden, Mannheim, München und Wien zum Kaufe angeboten worden, jedoch die hohen Preise ermöglichten eine Erwerbung nur in sehr beschränktem Aus­maß. Eine Anzahl von 78 Archivstücken wurde 1904 bei Gilhofer und Ranschburg in Wien erstanden. Mehrere stammten aus der bekannten Altertümer-Sammlung Josef Hafner in Linz. Dem Heimatsinn mehrerer Ennser Bürgerfamilien ist es zu verdanken, daß Zunftarchivalien, die in Handwerksladen auf Dachböden verstaubten, dem Stadtarchiv zur Aufbe­wahrung übergeben wurden. Unter den Schriften der Zimmerleute hat sich eine Handwerksordnung vom Jahre 1509 erhalten. Eine wertvolle Erwer­bung konnte das Stadtmuseum 1952 mit dem Archiv der St.-Anna-Zeche der Ennser Schiffleute verzeichnen, das einen Urkunden- und Aktenschatz aufweist und ein Bild von der Bedeutung des im Mittelalter errichteten Verbandes der Ennser Schiffleute gibt. Der langjährige Obmann des Museumsvereines „Lauriacum“, Primär Dr. Josef Schicker, war unablässig tätig, über Österreich und Deutschland verstreute Archivalien für das Stadtarchiv zurückzugewinnen. Besonders war ihm an einer Rückgabe der in der Handschriften-Abteilung der Wiener Hofbibliothek eingereihten Ennser Akten gelegen. In den Jahren 1916/17 versuchte er durch Vermittlung eines Mitgliedes des Kaiserhauses im Wege eines Majestätsgesuches und später durch einflußreiche Politiker in der jungen Republik Österreich eine günstige Erledigung seines Ansuchens zu erreichen. „Zur Vermeidung eines bedenklichen Präzedenzfalles“ wurde 1917 sowohl vom kaiserlichen Oberstkämmereramt als auch zwei Jahre später vom Staatsamt für Unterricht die Eingabe des Ennser Museums­vereines abschlägig beschieden. Weitverzweigte Wege haben die Schriftdenkmale der Stadt Enns, um­fassend die Zeitspanne vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, in den letzten neun Jahrzehnten genommen. Für diese aufschlußreichen Quellen zur ober­österreichischen Städtegeschichte bekundeten Autographensammler und Antiquare großes Interesse. Über dem Archiv waltete insofern ein besseres Geschick, als wenigstens die Urkundenreihe in Enns verblieb und die in den Jahren 1857 und 1870 ausgeschiedenen Aktenmassen nicht zur Gänze eingestampft wurden. Teile übernahmen das Musealarchiv in Linz und die Sammlungen Latour und Petter inWien.Von hier traten Ennser Archivalien eine wechselvolle Wanderung über Auktionen auf den Altertumsmärkten in Wien und Leipzig zu den beiden Zentren wissenschaftlichen Lebens in der Reichshauptstadt Wien: Hofbibliothek und Haus-, Hof- und Staatsarchiv und zu Antiquaren in Berlin, Dresden, Mannheim, München, Regensburg und Wien an. Bruchstücke gelangten in das Germanische Nationalmuseum Nürnberg, in die Verwahrung des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen (Prag), ja sogar in die russische Hofbibliothek Petersburg. Vereinzelte

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