Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741
386 Oskar Kegele Festung, dieses sichtbaren Wahrzeichens ruhmreicher Kriege, galt ja in erster Linie als „schmählich“, und die zweite Frage, ob Belgrad zur Zeit des Friedensschlusses militärisch zu halten gewesen wäre. Der Kronzeuge für ein Angebot Belgrads ist der kaiserliche Sekretär der orientalischen Sprachen Iv. v. Schwach heim, der bei seinem Verhör in Temesvár am 22. 12. 1739 aussagte: „Den 14. Aug. als ich zum änderten mahl mit mehrgedachten H. Grafen von Gross, auf ordre des erwehmten Herrn Feldm. Exzell. (Wallis) aus unserem bey Tschentes in das Türck. Lager vor Belgrad, nachmittags habe abgehen müssen, hat H. Graf Gross, ... sowohl bey dem Reis-Effendy, als bey dem GrossVezir selbsten, aus habender Commission, zu meiner äußersten Erstaunung, die Abtrettung Bellgrads mündlich angeboten, woferne die Pforte auf diese Condition den Frieden machen wollte“ 40). Feldmarschall Graf Wallis hat bei seinem späteren Verhör ein solches Angebot in Abrede gestellt und er hatte tatsächlich am 15. 8. dem Großvezier geschrieben: „dass ich das offertum wegen Belgrad nämlich solches zu übergeben und hiernach den Frieden zu traktieren nicht annehmen kann, da solches nicht in meiner Macht steht“ 41). Auch hatte er am 9. 8. dem Fürsten Lobkowitz, Kommandanten des siebenbürgischen Korps, mitgeteilt, Belgrad könne sich „noch immer ziemlich lange halten“. Über eine Einvernahme des Obersten Gross lagen B rown e keine Akten vor, doch wäre schon aus der Tatsache, daß dieser Offizier bis zum Feld- marschalleutnant vorgerückt ist, zu schließen, daß er nichts Verbotenes im Zusammenhang mit den Friedensbesprechungen getan haben kann. Eine wertvolle Aufhellung dieser Frage brachte eine Erhebung, die der Service des Archives im Ministére des Affaires Etramgeres in Paris42) vorgenommen hat und die lautet: „Auf Grund der durchgeführten archivalischen Erhebungen steht fest, daß eine Erklärung dieser Art nicht aufscheint. (Bezieht sich auf das angebliche Angebot Belgrads durch Oberst Graf Gross im Aufträge des Feldmarschalls Graf Wallis.) Ich beehre mich im folgenden einige Zeilen einer Depesche des Marquis deVilleneuve an das Außenministerium vom 17. August 1739 mitzuteilen, die im Gegenteil zu beweisen scheint, daß eine solche Übergabe (Belgrads, der Verf.) von den Türken als conditio sine qua non für Eröffnung von Verhandlungen gefordert worden ist: ... die Türken trachten ihnen (dein Kaiserlichen) ihn (den Frieden) recht teuer zu stehen kommen zu lassen, da sich der Oberst Gross, der im Aufträge des Generals Wallis seit einigen Tagen mehrmals das Quartier 4») K.A. — H.K.R. — 1739 — 726. 44) Browne, a. a. 0., S. 319 f. (68). 42) DO/CM, No. 1866 AR vom 23. Juni 1953. An dieser Stelle sei dem bevollmächtigten Minister und Chef des Archivdienstes, Herrn Amédée O u t r e y, für seine freundliche Auskunft verbindlichst gedankt.