Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741

378 Oskar Regele zu scheiden; doch daß hinwiederum das tempo mit oberwähnten Friedens­plan auszulangen nicht versäumt werde.“ Am 18. 8. begab sich der österreichische Bevollmächtigte in das tür­kische Lager, woselbst er 14 Tage hindurch verhandelte. Bei Beginn seiner Gespräche stand er vor folgender Situation: Villeneuve hatte bereits die beiden ersten Angebote gestellt und diese waren von den Türken zu­rückgewiesen worden. Oberst Graf Gross hatte ebenfalls verhandelt und war ohne Ergebnis zurückgekehrt, weil eben die Türken bereits im Februar 1738 die Abtretung Belgrads als erste Voraussetzung für Verhandlungen verlangt hatten. Jeder neue Versuch, auf anderer Basis zu verhandeln, erschien den Türken als müßiges Beginnen, als Unaufrichtigkeit, ja als Hinterlist. Wie Laugier14) erwähnt, hat der Großvezier gleich am 18.8. dem Vertreter des Kaisers bedeutet, es gäbe bloß einen Frieden um den Preis von Belgrad und als Neipperg auf diese Eröffnung hin das Lager unverzüglich verlassen wollte, wurden die Türken erst recht unnachgiebig und hielten den General wie einen Gefangenen zurück. Sie glaubten auch aus den weitgehenden Vollmachten des Unterhändlers herauszulesen, daß der Kaiser um jeden Preis Frieden schließen wollte, sie daher ruhig das Äußerste fordern könnten. Wer es versucht, sich in die Psyche des eben den Sieg von Grozka feiernden siegestrunkenen Türken und in jene des auf verlorenem Posten stehenden österreichischen Friedensgesandten hinein­zudenken, wird unschwer die hoffnungslose Lage des Letzteren erfassen und verstehen, daß Oswald Redlich darüber schreibt: „Es war alles schon verdorben“15). Wie unnachgiebig sich übrigens Neipperg die ganzen 14 Tage erwies, zeigt der Umstand, daß er noch am 28. 8. an W a 11 i s und an den General von Suckow über die Lage berichtete, ohne irgendwie durchblicken zu lassen, Belgrad leichtfertig aufgeben zu wollen. Er stand aber unter dem furchtbaren Druck der Zeit, hatte doch der Kaiser ihm am 11. 8. geschrieben, daß nach einer Eroberung Belgrads durch die Türken „kein Fried alsdann mehr von dem Feind zu hoffen stünde“. Ebenso be­fürchtete Sinzendorf noch am 31. 8. die Unmöglichkeit eines Friedens, wenn Belgrad durch Kampf fiele16). Für Neipperg bestand kein Zweifel darüber, daß Belgrad mit Erfolg nicht behauptet werden könne, daß der Frieden nur um den Preis der Festung erlangbar sei und daß jede Friedens­möglichkeit schwände, wenn der Feind Belgrad erobert. Wie er die Dinge sah, mußte ihm der casus extremae necessitatis, d. h. also die dritte Stufe als gegeben erscheinen, er sah sich in einer Zwangslage, die andere herbei­14) Abbé Laugier: „Histoire des négociations pour la paix conclue a Bel­grade le 18 sept. 1739“, — Paris 1768. — II., S. 35 ff. 15) „Geschichte Österreichs“, 7. Bd. (Das Werden einer Großmacht). -— Ba­den bei Wien — Leipzig 1938. — S. 288. 16) Leopold Graf v. Neipperg: „Umständliche auf Original-Dokumente ge­gründete Geschichte . . . des zu Belgrad . .. 1739 . . . geschlossenen Friedens.“ — Frankfurt u. Leipzig 1790. — S. 112 f.

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