Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung
REGELE, Oskar: Die Schuld des Grafen Reinhard Wilhelm von Neipperg am Belgrader Frieden 1739 und an der Niederlage bei Mollwitz 1741
Die Schuld des Grafen Neipperg am Belgrader Frieden 379 geführt hatten, die er aber allein bereinigen mußte. In seiner späteren Rechtfertigung vom 15. 12. 1739 steht der Satz: „Findet sich nun aber alles und jedes, was ich deshalber alleruntertänigst vorgestellt, in der Tat und Wahrheit also; so werden allerhöchstdieselbe nach dero allererlauch- tigsten Einsicht ohnschwer ermessen können, daß der casus extremae necessitatis, um einen Frieden, bei einem rechten tempo zu erhalten, wirklich und unstreitig vorhanden gewesen; folglich ich nach der mir diesfalls vorgeschriebenen Maßregeln verfahren bin.“ So kam es also zum schicksalschweren 1. September 1739, an welchem Tage die Präliminarien vereinbart, dann am 18. September unterschrieben wurden. Es bedarf noch einiger Hinweise auf die Tätigkeit Villeneuves, Sinzendorfs und Wallis’. Der französische Botschafter spielte eine überragende Rolle bei den Verhandlungen und wenn er auch die Mediation natürlich unparteiisch zu führen hatte, war er dennoch an die große Linie der französischen Außenpolitik gewiesen und diese war traditionsgemäß gegen das Habsburgerreich gerichtet. Die französische Diplomatie war in jener Zeit offenkundig der Diplomatie des Wiener Hofes überlegen, nach Schmettaus Darstellung soll es Neipperg gegenüber auch nicht an Drohungen gefehlt haben. Schlosser17) spricht von Intriguen bei den Verhandlungen und sagt: „Dieser Friede ... war eigentlich das Werk des französischen Gesandten ..Tatsächlich hatte damals Frankreich mit seinen Diplomaten aus der Schule F 1 e u r y s die Schiedsrichterrolle in Europa inne: England, Holland, das Römisch-deutsche Reich, Rußland, Schweden und die Türkei waren dem Einflüsse Frankreichs unterworfen. Diesen Einfluß hat Max Braubach18) in einem bezeichnenden Stimmungsbild festgehalten: „Wenn man es im Juni 1739 wagte, angesichts der Aktivität der Franzosen in Schweden und in der Ostsee und der damals ja zu Tage tretenden Annäherung zwischen Versailles und Berlin der Mißstimmung über eine Entwicklung Ausdruck zu geben, die Ansehen und Einfluß Österreichs gewiß nicht fördern konnte, so wich man doch sofort zurück, als man von Versailles aus die Klagen mit einer Fülle von Vorwürfen über unfreundliches Verhalten österreichischer Diplomaten und mit dem Hinweis beantwortete, daß der Kaiser es nur dem französischen König zu verdanken habe, Wenn ihm nicht in Italien Schwierigkeiten bereitet wurden und wenn überhaupt Verhandlungen über den Abschluß des verhängnisvollen Türkenkrieges im Gange waren. Als dann aber wirklich dieser Abschluß zustandekam, indem der General Neipperg am 1. September 1739 unter Beiziehung Villeneuves in Belgrad einen Vertrag mit den Türken abschloß ..., da schob man alle Schuld für dieses die schlimmsten Erwartungen übertreffende 17) „Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts und des neunzehnten bis zum Sturze des französischen Kaiserreiches.“ — Heidelberg 1836, Bd. I., S. 378. J8) „Versailles und Wien von Ludwig XIV. bis Kaunitz“. Bonn 1952, S. 329.