Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 7. (1954) – Festgabe zur Hundertjahrfeier des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung

BENNA, Anna Hedwig: Studien zum Kultusprotektorat Österreich-Ungarns in Albanien im Zeitalter des Imperialismus (1888–1918)

16 Anna Hedwig Benna Seit den Achtzigerjahren steigerte sich das italienische Expansions­bedürfnis, es ergriff die Balkanhalbinsel, die Levante und den nordafrika­nischen Küstenraum. Die politische Bindung an die Mittelmächte im Drei­bund ließ das Italien Crispis dem Werben Frankreichs noch mißtrauisch gegenüberstehen. Es kann daher nicht wundernehmen, wenn die italieni­schen Diplomaten das französische Protektorat im Orient nur mit scheelen Augen ansahen und darauf bedacht waren, Mittel und Wege zu dessen Beseitigung zu finden. Crispi lancierte 1888 beim Heiligen Stuhl den Plan der Errichtung einer Apostolischen Nuntiatur in Konstantinopel zur Ver­tretung der Interessen der katholischen Kirche in der Türkei. Dieser Plan stammte von dem italienischen Botschafter bei der Pforte, Baron Blanc 16). Den gemeinsamen Bemühungen Blancs und verschiedener, deutscher Diplo­maten war es gelungen, Crispi im Hinblick auf die Notwendigkeit einer wohlwollenden Geste gegenüber dem Vatikan, die noch dazu nicht nur keine Preisgabe italienischer Interessen sondern im Gegenteil eine Schwächung des französischen Interesses im Orient bedeutete, für diesen Schritt zu gewinnen u). Die Schutzfrage im Orient besaß damals in Italien ungemein viel Aktualität, man strebte darnach, den italienischen Konsularschutz über Ordensniederlassungen mit Insassen italienischer Nationalität an Stelle des französischen zu setzen18). Der Nuntiatursplan ließ das Ziel Italiens, die Beseitigung des französischen Protektorates, unausgesprochen. Ein Artikel des der italienischen Regierung nahestehenden Fanfullo vom 28. Mai 1888 19) anläßlich des Rombesuches des Kardinals Lavigerie20 ) wurde schon deutlicher, er sprach von einer Aufhebung des Protektorates über die Katholiken im Orient und dessen Übernahme durch den Papst. Dieser Gedankengang lag ganz auf der Linie der Politik Italiens, dem französi­schen Einfluß im Orient mit Hilfe einer Stärkung der Stellung des Papstes gegenüber den orientalischen Katholiken zu begegnen. Obwohl der Artikel gegen Frankreich und vor allem gegen Kardinal Lavigerie gerichtet war, dem man vorwarf seine kirchliche Eigenschaft zu Gunsten einer Aus­dehnung der französischen Einflußsphäre in Afrika einzusetzen, bemühte sich der Artikel doch auch dem Vatikan die Richtung, in welcher die italienische Regierung geneigt war seine Politik zu unterstützen, zu zeigen. Die Richtung hätte aber zweifellos, Abkehr von Frankreich geheißen. Außenstehende wie der österreichisch-ungarische Botschafter beim Quiri­18) PA XII, 235. Telegramm Bruck aus Rom (Q), 1888 Jänner 20, Weisung an Bruck (Rom Q), 1888 Jänner 28, Bericht Bruck Rom Q, 12 B, 1888 Februar 10, Weisung an Calice (Konstantinopel) 1888 März 1. u) PA XII, 235. Bericht Bruck Rom (Q), 12 B, 1888 Februar 10. 18) PA XII, 235. Bericht Bruck Rom Q, 63 F, 1888 Juni 2. •9) PA XII, 235. Beilage zu Bericht Bruck Rom Q, 63 E, 1888 Juni 2. 20) Zur Romreise des Kardinals Lavigerie, Primas von Afrika, 1888, vgl. Pin on, a. a. O., S. 555. S chmidlin, a. a. O., S. 529, 530. Encyclopedia Italiana, Bd. 20 (1933), S. 644—45.

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